Schlossfestspiele Ludwigsburg „Der Egoismus muss gezähmt werden“

Von Helga Spannhake
Diskutierten auf dem Podium: die Kulturwissenschaftler Jan und Aleida Assmann, Regisseur Tilman Hecker, Autor Eugene Yiu Nam Cheung und Moderatorin Bettina Sluzalek. Foto: /Martin Kalb

Das „17 Ziele Camp“ der Ludwigsburger Schlossfestspiele debattiert darüber, wie die Gesellschaft gerechter und nachhaltiger werden kann. Den Auftakt machte eine Podiumsdiskussion.

Eine modellhafte Positionierung in der Gegenwart und als Ziel eine offene sowie nachhaltige Gesellschaft: Seit drei Jahren besteht dieser Wunsch bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen. Wie man dorthin kommt, erforscht das „17 Ziele Camp“ im Kunstzentrum Karlskaserne. Mehr als 40 Punkte stehen auf dem Programm.

Große farbige Würfel liegen neben- und übereinander im Innenhof des Kunstzentrums. Auf jedem steht eines der 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030. Die Vereinten Nationen haben sie verabschiedet, um eine lebenswerte Zukunft für kommende Generationen zu ermöglichen.

Seit Beginn der Intendanz von Jochen Sandig dienen die Nachhaltigkeitsziele als Leitfaden der Ludwigsburger Schlossfestspiele und bilden nun die inhaltliche Basis des viertägigen „17 Ziele Camps“, von Nummer eins „Keine Armut“ über „Geschlechtergleichheit“ bis zur Nummer 17, den „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“.

Wie soll die Zukunft aussehen?

Noch bis zum Sonntag lädt ein Angebot aus Tanz, Musik und Workshops ein zum Zuhören, Anschauen, Mitmachen und Nachdenken: Wie soll, kann und muss unsere Zukunft aussehen?

Den Auftakt machte am Donnerstag eine Podiumsdiskussion unter dem Titel: „Unmapping Time – Ein kritischer Blick auf unser Zeitverständnis“. Daran teil nahmen das renommierte Wissenschaftler-Ehepaar Aleida und Jan Assmann, Regisseur Tilman Hecker und Autor Eugene Yiu Nam Cheung. Die Moderation übernahm Dramaturgin Bettina Sluzalek. In seiner Begrüßung erklärte Intendant Jochen Sandig, dass sich im 21. Jahrhundert die Künste auf den Weg machen müssten. Denn um Menschen zu bewegen, brauche es die Kunst.

Jochen Sandig und Bettina Sluzalek entwickelten schon in Berliner Zeiten die Idee einer Plattform für die Stadtgesellschaft. Corona verhinderte eine kontinuierliche Umsetzung, aber es gab in den vergangenen Jahren bereits einen Zukunftsdialog und den „17 Ziele Space“ im Ehrenhof.

Das „17 Ziele Camp“ sieht sich als direkte Fortsetzung und als ein besonderer Raum der Begegnung, in dem es um nicht weniger geht als um eine nachhaltigere, gerechtere und sicherere Zukunft.

Was kann Kunst bewegen?

„Kann Kunst etwas bewegen angesichts des Zustands der Welt“, diese Frage richtete Bettina Sluzalek ans Podium. Aleida Assmann verwies darauf, dass Traumata der Vergangenheit aufgearbeitet werden müssen. Schon in ihrem Buch „Ist die Zeit aus den Fugen“ schrieb sie, dass die Begriffe Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von der ganzen Gesellschaft neu bestimmt werden müssen, denn Zukunft müsse inklusiv sein, darf nicht durch Diskriminierung verwehrt werden. Jan Assmann fragte, wer unsere Schuld bezahle, da wir über unsere Verhältnisse leben. Es brauche ein Umlernen und: „Der Egoismus muss gezähmt werden“.

Tilman Hecker verwies darauf, dass Geschichten Welten schaffen und Welten Geschichten schaffen: „Unsere Geschichten haben stets ein gleiches vorhersehbares moralisches Urteil“. Sei es im Fernsehen, auf der Bühne oder in der Literatur, alle Erzählungen basieren auf dem Weltbild der griechischen Antike und den christlichen Lebensgeboten, so führte er weiter aus. Die Annahme menschlicher Autonomie und Kontrolle der Natur prägen ein Milliardenpublikum.

Eugene Yiu Nam Cheung sah organisierten Pessimismus als durchaus positiven Startpunkt für künstlerische Auseinandersetzung und alle waren sich einig, dass die Zeit der großen Utopien vorbei sei, alle Hoffnung aber auf den kleinen Utopien liege.

Volles Programm beim „17 Ziele Camp“

Das 17 Ziele Camp läuft bis Sonntag im Kunstzentrum Karlskaserne; Samstag mit einer Schreib- und Musikwerkstatt, einem Workshop zur Frage „Bin ich rassistisch?“ und dem Weltcafé. Sonntag gibt es einen Performance-Workshop , einen Tanz zum Thema „Ungleich gleich – wie fühlt sich Gerechtigkeit für dich an?“ und Permakultur-Designerin Maria Seiter ruft auf zur Rettung des Garten Edens. hsp

 
 
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