Ludwigsburg „Wahrnehmen – Benennen – Handeln“

Von Jonathan Lung
Die Podiumsdiskussion an der Pädagogischen Hochschule klärt über Antisemitismus bei Schülern auf. Foto: Werner Kuhnle

Wie können Lehrkräfte Antisemitismus bei Schülern begegnen? An der PH soll ein neues Profil angehende Lehrkräfte sensibilisieren.

„Woran kann man Juden erkennen?“, sei eine Frage gewesen, die sie in dem neuen Kurs gestellt bekommen hätten, erzählt der Student Jonathan Krauß. Nur wenigen sei aufgefallen, dass es eine Falle war: Die Unterstellung von generellen Merkmalen „der Juden“ ist antisemitisch.

Ist es schon Antisemitismus, wenn ein Fünftklässler ein Hakenkreuz malt? Oder macht er das aus Lust, um zu provozieren? Wie reagiert man als Lehrkraft angemessen auf Antisemitismus in der Klasse, der sich vielleicht nur in einzelnen Codewörtern äußert? Was tut man bei expliziten Äußerungen, die vielleicht nur das Nachplappern von Aufgeschnapptem sind? Im Studienprofil „Antisemitismuskritische Bildungsarbeit“ will die Pädagogische Hochschule Ludwigsburg die Lehrkräfte von Morgen sensibilisieren und auf eben diese Herausforderungen vorbereiten.

Aufklärung und Austausch

Die Entscheidung dazu fiel schon lange vor dem Terrorangriff auf Israel und der danach aufgeflammten Debatte um Antisemitismus und Israelhass in Deutschland – schon länger sei klar: „Wir haben ein Antisemitismusproblem“, heißt es von der PH.

Die Podiumsdiskussion zum Auftakt der Lehrveranstaltung am vergangenen Mittwoch mit Experten und Vertretern der vier Parteien vermittelte schon einen Eindruck von der Komplexität des Themas.

Antisemitische Codewörter wie „Rothschilds“ oder „Globalisten“ fänden sich schon im Deutschrap und würden von den jungen Zuhörern übernommen, weiß Danijel Paric, Politikwissenschaftler an der PH Ludwigsburg.

„Schüler erleben während ihrer Schulzeit immer antisemitische Vorfälle“, ist die Erfahrung von Jan Pfeil-Reh, Konrektor der Gemeinschaftsschule Gemmingen.

„Wahrnehmen – Benennen – Handeln“, müsse das Verhalten der Lehrkraft sein – denn wenn diese die Vorfälle unkommentiert ließe, signalisiere sie Zustimmung.

„Wir müssen uns eingestehen: das hat nicht funktioniert in den letzten Jahren“, so Alexander Becker, Landtagsabgeordneter der CDU mit Blick auf die Antisemitismusbekämpfung. Aufklärung und Austausch sieht er als notwendige Mittel bei Jugendlichen, denn: „ein verfestigtes Weltbild entsteht früh.“

Katrin Steinhülb-Joos (SPD), selbst frühere Rektorin einer Gemeinschaftsschule, konstatiert einen Mangel an Zeit, Raum und Lehrkräften, um der Problematik an den Schulen angemessen zu begegnen. „Mehr Zeit ist kein Nice-to-Have mehr“, die nötigen Ressourcen müssten bereitgestellt werden.

Empathie als wichtiges Konzept

„Die Empathie ansprechen“ sei ein Konzept, das sich in seiner Arbeit bewährt habe, sagt Daniel Felder, Lehrer und Referent am Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg (ZSL). So habe er einmal eine Gruppe von Skinheads und Punks zusammengebracht – am Ende flossen Tränen.

Die Jugendlichen müssten verstehen, was falsche Projektionen seien. Und sie müssten begreifen, dass durch das Ausschließen anderer eine falsche Identität entsteht.

Ob das Konzept der Empathie genüge, ob allein mehr Mittel ausreichend sind, wurde im Weiteren diskutiert. Dabei war das Ziel klar: Dass sich die Schüler in einer offenen Gesellschaft zuhause fühlten.

Interdisziplinäres Profil

Es entstanden also einige Impulse für das neue Studienprofil, das in diesem Wintersemester bereits startete: mit bislang 30 Studenten in einer „Testphase“. Vortragende auch aus dem Ausland stellen in einer Ringvorlesung Aspekte und Perspektiven der Thematik vor – schon, dass man nicht per se von „dem Judentum“ sprechen kann, sagt Carolin Hestler, Abteilungsleiterin Geschichte.

Man habe sich entschlossen, das neue Profil interdisziplinär aufzustellen, nicht allein von der Abteilung Geschichte ausgehend, um „verschiedene Blickwinkel auf Antisemitismus“ vermitteln zu können. In der Fortführung der Lehrveranstaltung sollen auch praktische Verhaltensweisen vermittelt werden. Jonathan Lung

 
 
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