Ludwigsburger Ehrenamt Der Teilzeit-Nikolaus

Von John Patrick Mikisch
Nikolaus aus Leidenschaft: Andreas Kurz schlüpft jeden Dezember in die Nikolausrolle, um Spenden zu sammeln. Foto: / Oliver Bürkle

Der Nikolaus kommt aus Ludwigsburg und trägt im Alltag Uniform. Andreas Kurz ist jeden Dezember mit Mitra und Bischofsstab unterwegs. Seine Mission: Spenden sammeln. Mit der BZ spricht er über seine Motivation, Textsicherheit und Geschenke.

Nein, in Myra sei er noch nicht gewesen, sagt Andreas Kurz. In dem Ort an der heutigen türkischen Südwestküste soll der Heilige vor rund 1700 Jahren gelebt haben. Der Überlieferung nach ein sehr bescheidener Heiliger, der sein ererbtes Vermögen an Notleidende verschenkt haben soll. Andreas Kurz schenkt vor allem: Zeit. Denn für seine Auftritte als Nikolaus nimmt er sich jeden Dezember mehrere Tage frei.

Mitra und Umhang statt Barett und Tarnanzug

Das macht er seit Jahren so – und aus innerer Überzeugung. „Ich bin das ganze Jahr über sehr eingespannt“, sagt er. Da fehle die Zeit fürs Ehrenamt. „Die nehme ich mir dann zum Jahresende“, sagt der Berufssoldat. Statt Barett und Tarnfleckuniform legt der Oberstabsfeldwebel dann falschen Bart, Mitra und Bischofsmantel an und besucht zwischen 5. und 23. Dezember Familien, Firmen und Weihnachtsmärkte. Um die 20 Auftritte sind das pro Saison.

Reich wird Kurz damit nicht, denn das eingenommene Geld spendet er komplett – mal für die AIDS-Hilfe, dann für Obdachlose, das Soldatenhilfswerk. Auch die Delfintherapie für ein behindertes Kind hat er auf diese Weise schon unterstützt. Diese Kinder liegen ihm besonders am Herzen. Aus persönlichen Gründen und weil einer seiner ersten Nikolaus-Auftritte zu einem behinderten Jungen führte. „Der hat so viele Fragen gestellt und wollte so viel wissen“, erzählt Andreas Kurz. „Das war einfach toll.“

Die Armbanduhr verriet den falschen Nikolaus

Damals war er noch ziemlich am Anfang seiner Nikolaus-Karriere. „Los ging alles mit einem Auftritt für meine Patentochter“, sagt Kurz. „Ich habe mir das billigste Kostüm gekauft, das es gab“, erzählt er. Schon beim ersten Mal habe er gemerkt: „Oh, das macht ja richtig Spaß!“

Inzwischen besitzt er mehrere Umhänge, eine echte Mitra und einen Hirtenstab aus Messing. Etwa 1000 Euro hat er für das Kostüm bei einem Geschäft für Kirchenbedarf ausgegeben, Denn sein Nikolaus soll möglichst originalgetreu sein und sich von der neueren, kommerzgeprägten Figur des Weihnachtsmann abheben. Gut, bei seinen Auftritten trage er in der Regel seine Bundeswehrstiefel und keine römischen Nagelsandalen, gibt er zu. „Die passen aber ganz gut zur Gewandung“, findet Andreas Kurz.

Auch sonst legt er großen Wert aufs Detail. Einmal sei er schon wegen einer Armbanduhr von einem Patenkind enttarnt worden. Damit das kein zweites Mal passiert, schlüpft er schon vor seinem Auftritt in die Nikolausrolle. „Ich fahre mit dem Auto nicht vor dem Haus vor, sondern parke in einer Nebenstraße“, erzählt Andreas Kurz. „Dann – die Kinder könnten ihn ja vielleicht schon sehen – gehe ich mit langsamen, schweren Schritten zur Haustür.“ Method Acting auf Schwäbisch.

Bei „Kommet, Ihr Hirten“ ist kaum jemand textsicher

Wie der Besuch dann verläuft, sei immer unterschiedlich. „Manche Familien warten im Anzug und Festtagskleid, auf den Nikolaus“, berichtet er. Mitunter seien die Kinder sogar auf ihn vorbereitet und hätten mit den Eltern beispielsweise eine Kerze aufgestellt, um dem Nikolaus den Weg zu weisen. Bei anderen sei es wiederum informeller. „Das ist ja das Spannende daran“, sagt Andreas Kurz.

Einstellen muss sich der Teilzeit-Niko auch auf das unterschiedliche Brauchtumswissen. Dass die Mitra hinten zwei Bänder habe, die das Alte und das Neue Testament symbolisieren, wüssten nur die Allerwenigsten. Aber auch um die Textsicherheit bei den Weihnachtsliedern sei es nicht immer gut bestellt: „’Lass uns froh und munter sein’ und ‚O du fröhliche’ kriegen alle hin. Zumindest die erste Strophe.“ „Kommet, Ihr Hirten“ sei hingegen eher für Anspruchsvolle.

Viel wichtiger seien aber die Kinder. „Die Eltern schicken mir vorher ein paar Informationen zu. Die drucke ich mir groß aus und lege sie in das rote Buch, aus dem ich auch die Nikolausgeschichte vorlese“, erzählt er. Wichtig sei ihm, das Positive zu betonen und den Kindern Sicherheit und Zuversicht zu vermitteln. „Ich nehme den Kindern, das Versprechen ab, auf sich aufzupassen und sage ihnen, dass auch ein Schutzengel über sie wacht.“ Zum Schluss gibt es eine Postkarte vom Nikolaus. „Manche Kinder heben die bis zum nächsten Mal auf!“

Für solche Fälle hat er sich zum rot-goldenen Mantel auch noch einen violetten zugelegt. „Wegen der Abwechslung beim zweiten Besuch.“ Überhaupt gebe die Gewandung einen „Wow-Effekt, wenn das alles glitzert und glänzt“, sagte er.

Größtes Geschenk: Weihnachten die Spendengelder zählen

Feste Honorarsätze für seine Nikolaus-Auftritte nimmt Kurz übrigens nicht. Absichtlich, denn: „Ich besuche Leute, die im achten Stock eines Hochhauses wohnen ebenso wie die in einer Villa. Das ist mir völlig egal, denn Kinder sind alle gleich.“ Und zwar unabhängig davon, ob es ein teures Spielzeug oder nur ein paar Süßigkeiten gebe. „Die sind alle ganz baff, dass sie einfach so beschenkt werden.“

Er bitte die Familien lediglich darum, einen Betrag ihrer Wahl in einen Umschlag mit Namen zu legen. Manche Leute gäben 20 oder 30 Euro, andere deutlich mehr. „Und das ist völlig in Ordnung so.“ Die Umschläge öffnet er dann Heiligabend. „Das ist mein größtes Geschenk, zu sehen, was für die nächste Spende zusammenkommt!“

 
 
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