Marbach/Kreis Ludwigsburg Atomwaffen: Einsatz jederzeit möglich

Von Helena Hadzic
Roland Blach kämpft für die weltweite Abschaffung von Atomwaffen. Foto: /Oliver Bürkle

Zusammen mit dem Netzwerk „ICAN“ hat Roland Blach den Friedensnobelpreis für den Kampf gegen Nuklearwaffen erhalten. Er fordert Konversation statt Konfrontation von den Atommächten.

Die Atomwaffen sind da, und der Abwurf einer Atombombe ist jederzeit möglich“, sagt der Marbacher Friedensaktivist Roland Blach. Seit fast 30 Jahren kämpft er mit dem internationalen Netzwerk „ICAN“ für die weltweite Abschaffung von Atomwaffen, dafür haben die Aktivisten auch 2017 den Friedensnobelpreis erhalten. Und warum? Durch die Kampagnen konnten 70 von 193 UN-Staaten dazu bewegt werden, den „Atomwaffenverbotsvertrag“ zu unterzeichnen, der am 22. Januar 2021 in Kraft trat. Dieser blockiert sowohl die Drohung, den Einsatz als auch die Produktion der Kernwaffen. Tatsache ist aber auch, dass keine der berüchtigten Atommächte, wie die USA oder Russland, mitspielen. Auch die Nato-Staaten weigern sich. Aber: „Das Ziel ist, solange Druck aufzubauen, bis sich die Supermächte zu einem Paradigmenwechsel gezwungen sehen“, erklärt Blach im Gespräch mit der BZ.

Die USA zündete Atombomben

Doch noch einmal zurück auf Anfang: Die zweite und damit die letzte gezündete Atombombe war der Angriff der USA auf Nagasaki 1945, im Jahr 1962 konnte ein atomarer Angriff der Amerikaner auf Kuba gerade noch so verhindert werden. „Das Glück war, dass die Sowjetunion nachgegeben und keine Mittelstreckenraketen auf Kuba stationiert hat, um eine Katastrophe zu verhindern“, erklärt der Friedensaktivist.

Heute, über 60 Jahre nach der Fast-Bombe auf Kuba, scheint die Situation erneut brisant. Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland hält an und führt zu der Frage, ob das russische Staatsoberhaupt Wladimir Putin die Bombe zünden könnte. Auch die USA bleibt davon nicht unberührt, Gerüchte über einen neuen kalten Krieg zwischen den Parteien sind derzeit in aller Munde.

„Dabei muss man sich die Frage stellen, wie und warum das alles begonnen hat“, sagt Blach. Laut Russland habe sich die Nato entgegen ihres Versprechens in Richtung Osten erweitert, erklärt er. „Wir müssen versuchen, die andere Seite zu verstehen und auf dieser Grundlage zu einer Lösung zu gelangen“, so der Marbacher.

Aber ist in heutigen Krisenzeiten ein nuklearer Angriff wirklich so wahrscheinlich, wenn doch seit den US-amerikanischen Abschüssen keine andere Bombe mehr abgeworfen wurde? „Ja absolut. Nur weil seit damals keine Atombomben mehr abgeschossen wurden, heißt es nicht, dass keine mehr abgeschossen wird“, ordnet Blach ein.

Dass es jederzeit losgehen könnte, hält der 55-jährige Friedensaktivist für möglich – deswegen sollen die Atomwaffen dem Dialog weichen. Für ihn ist klar: „Konversation statt Konfrontation muss unsere Forderung sein.“ Und Blach meint es so, wie er es sagt: Auch mit Putin muss man sprechen, um den Frieden wieder herzustellen. „Auf jeder Seite, auch in Deutschland, sollte es mehr Verhandlungsbereitschaft geben, stattdessen gibt es Kriegs-Rhetorik“, meint Blach.

Die Frage, ob eine atomare Abrüstung der Atommächte weitere Bodenkämpfe verhindert und die Situation entspannt, ist fraglich. Im Fall der Erzrivalen USA und Russland ist eine atomare Auseinandersetzung im kalten Krieg durch den beidseitigen Besitz solcher Waffen verhindert worden. Blach sieht das anders. „Atomwaffen als Abschreckung führen eben nicht zu mehr Sicherheit, denn der Besitz führt irgendwann auch zu einem Einsatz“, meint er. Er sieht vielmehr ein menschliches Wachstumspotenzial in der Abrüstung. „Wenn die Atomwaffen erst einmal weg sind, ist das Paradigma wahrscheinlich auch ein anderes. Allein die Tatsache könnte die Atommächte zu einer anderen Sicht der Dinge bewegen“, hofft der Friedensaktivist.

Friedliches Miteinander

Ob das Wunschträumerei ist? Vielleicht. Blach räumt ein, dass Supermächte wie die USA oder Russland ungern Macht abgeben, und diese werde immerhin zu einem Großteil durch atomare Waffen generiert. Wofür kämpft er also? „Für das, wonach jeder Mensch im Grunde strebt: ein friedliches Miteinander ohne Angst. Dahin müssen wir zurückkehren. Ein globales Problem berührt also jeden einzelnen Menschen, jeden Staat und jede Stadt“, so Blach. Übrigens, Bietigheim-Bissingen ist als „Mayor of Peace“ eine der Städte, die Flagge für eine atomwaffenfreie Welt zeigt und eine Abrüstung begrüßt.

Was Blach jedoch in der öffentlichen Diskussion vermisst, ist Neutralität. „Die Situation ist ernst, egal ob im Fall von Russland und Ukraine oder Israel und Gaza. Wir müssen anfangen, unser Gegenüber und seine Positionen zu verstehen“, sagt er. Auch weitere Waffenlieferungen an die Ukraine, die den Krieg weiter in die Länge ziehen, hält er für grundlegend falsch. „Wollen wir etwa, dass es so wird wie in Afghanistan?“, betont er. Ein baldiges Ende der Atomwaffen sei unwahrscheinlich, meint Blach, aber dennoch sei der Kampf für eine atomwaffenfreie Welt von größter Bedeutung, um die Zukunft für künftige Generationen zu sichern.

 
 
- Anzeige -