Markgröningen Aus dem Iran in den Markgröninger OP

Von Martin Hein
Einige iranische Pflegekräfte arbeiten bereits bei der OKM. Rechts Udo Wolff Bereichsleitung, zweiter von rechts Thomas Meister ebenfalls Bereichsleitung. Foto: /Oliver Bürkle

Die Orthopädische Klinik Markgröningen hat 26 Pflege-Fachkräfte im Iran angeworben. Die ersten arbeiten bereits als Operationstechnische und Anästhesietechnische Assistenten.

Nach vorsichtigen Schätzungen fehlen in Deutschland derzeit rund 200 000 Pflegekräfte in den Pflegeheimen und Krankenhäusern. Vor diesem Problem stehen derzeit so gut wie alle Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser. Bei den RKH-Kliniken werden deshalb bereits seit Jahren Pflegekräfte im Ausland, unter anderem in Brasilien und Spanien, angeworben.

Die RKH Orthopädische Klinik Markgröningen (OKM) hat nun gezielt Fachkräfte im Iran angeworben. Bernhard Klinik, Direktor für Pflege- und Prozessmanagement der OKM, hat seinerzeit seine Masterarbeit über die Anwerbung von Fachkräften im Ausland geschrieben. Bei den RKH-Kliniken arbeiten derzeit bereits Fachkräfte, unter anderem aus dem Kosovo, Serbien, nach der Anerkennung bei der OKM, erklärt Bernhard Klink.

Hervorragend qualifizierte Fachkräfte

Warum nun der Fachkräfte aus dem Iran in Markgröningen in den Fokus gerückt sind, sei ganz einfach, erklärt Bernhard Klinik und seine Stellvertreterin Fariba Kathib-Haghyghy: Die berufliche Qualifikation der Iranerinnen und Iraner sei hervorragend. Diese Fachkräfte haben alle Abitur und ein erfolgreich abgeschlossenes vierjähriges Pflege-Studium mit Bachelor-Abschluss. Die Ausbildung im iranischen Gesundheitswesen orientiere sich am amerikanischen System und sei sehr hochwertig, sagt Klink.

Wie man überhaupt an geeignete Fachkräfte herankommen kann, war die erste Hürde, die es zu nehmen galt. Zuerst habe man den Gedanken gehabt, in den Iran zu reisen und dort direkt Interessenten anzuwerben, dies habe sich jedoch als schwierig herausgestellt. „Wir haben über diverse Kontakte eigene Stellenanzeigen auf Farsi, der iranischen Amtssprache, an den Krankenpflege-Universitäten verteilt“ erklärt Bernhard Klink. Die Kontaktaufnahme mit potenziellen Interessenten habe sich nicht ganz einfach gestaltet, weil im Iran zeitweise das Internet abgeschaltet wird, „so haben wir teilweise Videogespräche morgens zwischen 7 und 8 Uhr geführt“.

Eine angenehme Überraschung sei gewesen, dass bereits einige Interessenten bei den Videogesprächen deutsch gesprochen hätten. Der Iran habe traditionell eine recht enge Bindung zu Deutschland, gerade bei jüngeren Menschen sei die deutsche Sprache durchaus beliebt, erläutert Fariba Khatib-Haghyghy.

Letztendlich habe man aus rund 250 Bewerbern 26 Kandidaten ausgewählt. Bernhard Klink und Fariba Kathib-Haghyghy sind davon überzeugt, dass die Qualifikation der Bewerber aus dem Iran hervorragend ist. Bereits seit 2023 arbeiten drei Kollegen aus dem Iran bei der OKM. Dies sei sozusagen der Test gewesen. Einer dieser Kollegen habe zudem einen Masterabschluss in OP-Technik. Für einen Großteil der jungen Fachkräfte aus dem Iran sei Deutschland sogar eher unattraktiv.

Gründe dafür seien die Bezahlung und dass die Abschlüsse hier nicht anerkannt würden. „Wir sind pflegerisch ein Entwicklungsland“, bedauert Bernhard Klink. Zehn der 26 Fachkräfte sind bereits hier und arbeiten schon bei der OKM.

Man gebe sich größte Mühe, die ausländischen Fachkräfte bei der OKM zu integrieren und sei ständig mit den Teams in Kontakt und habe eigens die Führungskräfte zum Thema Integration geschult. Auch eine Integrationsmanagerin sei mit im Boot, um die Neuankömmlinge unter anderem bei ersten Behördengängen zu unterstützen.

Die Iranerinnen und Iraner, die zur OKM kommen, nehmen alle an einem Intensiv-Sprachkurs teil so Klink, „das ist unser Investment“. „Spracherwerb ist der Schlüssel“, betont Bernhard Klink, man müsse mit den Patienten Gespräche führen können. Zum Abschluss kommt dann noch ein Mundart-Schauspieler, damit die Fachkräfte die Besonderheiten des schwäbischen Dialektes kennenlernen, „Schwäbisch ist wie eine weitere Fremdsprache“, bemerkt Fariba Kathib-Haghyghy schmunzelnd.

Dazu werden noch weiterführende Deutschkurse durchgeführt. Was die Sprachkenntnisse angeht haben dann alle Sprachkenntnisse auf dem B2-Level. Das heißt, wer B2-Sprachkenntnisse vorweisen kann, versteht in seinem Spezialgebiet auch Fachdiskussionen, kann sich spontan und fließend mündlich verständigen. Klink betont: „Wir haben einen hohen Qualitätsanspruch, wir übernehmen auch Verantwortung“. Schließlich erhalten die neuen Fachkräfte auch Unterricht in Staatsbürgerkunde. Bis Februar 2025 werden alle angeworbenen Fachkräfte dann als Operationstechnische und Anästhesietechnische Assistenten eingesetzt.

Auch was die Unterbringung der Iranerinnen und Iraner angeht hat sich die OKM bestens vorbereitet. Man habe Wohnungen in Asperg, Markgröningen und Schwieberdingen angemietet.

Die Ausreise aus dem Iran sei an sich kein Problem. Hinderlich sei der Umstand, dass die jungen Menschen beispielsweise nach abgeschlossener B2-Sprachprüfung im Iran keine Urkunde bekommen, die ihre deutschen Sprachkenntnisse bestätigt.

Hindernis: Deutsche Bürokratie

Problematisch sei eher der enorme bürokratische Aufwand bei der deutschen Botschaft, klagen Klink und Khatib-Haghyghy. Fariba Khatib-Haghyghy lobt in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt und Regierungspräsidium.

Die meisten jungen Menschen, die jetzt aus dem Iran zur OKM kommen, sind nach Auskunft von Fariba Khatib-Haghyhgy Mitte 20 bis Mitte 30. Es sind sogar auch Paare mit Kind dabei. Im Iran herrsche derzeit eine recht hohe Jugendarbeitslosigkeit. Die Motivation sei für viele die Reisefreiheit und dass es hier keine Kopftuchpflicht und keine Zensur gebe.

Die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, die an den Arbeitgeber gebunden ist, gelte zunächst für zwei Jahre und dann unbefristet. Die neuen Fachkräfte müssen mindestens zwei Jahre bei der OKM bleiben. Wir haben bei den Kollegen, die im vergangenen Jahr gekommen sind, das Gefühl sie bleiben wollen. Sie haben sich gut über Deutschland informiert und kommen allesamt aus dem gebildeten Mittelstand. Sie kommen, um zu bleiben, ist sich Bernhard Klink sicher, und – man werde künftig mit weniger Personal mehr Pflegearbeit leisten müssen. Auch deshalb freut man sich über die Verstärkung.

Deutsche Botschaft war geschlossen

Angesichts der aktuellen politischen Entwicklung glühten in den vergangenen Tagen kurz die Drähte. Sechs künftige OKM-Mitarbeiter die derzeit noch im Iran sind und auf die Ausreise warten, berichteten, dass die Deutsche Botschaft zwei Tage geschlossen war. Nun habe die Botschaft wieder geöffnet. Somit dürfte der Ausreise nichts mehr im Wege stehen, außer diversen Formulare seitens der deutschen Behörden. Die Nachwuchskräfte fliegen vom Iran in die Türkei und von dort direkt nach Stuttgart.

 
 
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