Prozess um getöteten Lukas aus Asperg Tat geschah aus Unbeherrschtheit

Von Petra Häussermann
An Ostern hat sich der tragische Vorfall in Asperg gejährt. Am Mittwochnachmittag ist das Urteil gesprochen worden. Foto: /Martin Kalb

Am Mittwoch hat die 2. Große Jugendkammer des Landgerichts Stuttgart das Urteil gesprochen im Fall des getöteten Lukas aus Asperg. Zwei Angeklagte wurden zu sieben und fünfeinhalb Jahren verurteilt. 

Faszination für das Rapper-Milieu, verbale Provokationen und unreifes Verhalten – vor diesem Hintergrund sind die tödlichen Schüsse in Asperg an Ostern vor einem Jahr gefallen und haben einen jungen Menschen mitten aus dem Leben gerissen und einen weiteren wohl lebenslang gezeichnet. Zu dieser Überzeugung kam die 2. Große Jugendkammer des Landgerichts Stuttgart, die am Mittwoch unter massiver Polizeipräsenz einen Angeklagten freisprach und zwei weitere Angeklagte wegen Totschlags sowie gefährlicher Körperverletzung zu Jugendstrafen von sieben und fünfeinhalb Jahren verurteilte.

„Keiner von uns hier im Saal kann Ihren Schmerz über den gewaltsamen Tod Ihres Sohnes wirklich nachempfinden, doch Ihr Leid wird von uns gesehen“, wandte sich der Vorsitzende Richter Matthias Merz zu Beginn seiner Urteilsbegründung direkt an die Familie des getöteten Lukas, dessen Eltern sich die ganze Zeit über fest an den Händen hielten. Das Strafgericht müsse das Geschehen fassbar machen, und, auch wenn man nicht in die Köpfe der Beteiligten schauen könne, so lasse sich aus äußeren Geschehnissen der innere Ablauf der grauenvollen Tat rekonstruieren.

Rund eineinhalb Stunden lang begründete Merz ausführlich diese Rückschlüsse, legte dar, welchen Hintergrund die Kammer sieht und welchen Anteil an der Tat sie den drei Angeklagten zumisst. Die beiden 21 Jahre alten Cousins hatten sich in der Nacht von Karfreitag auf Ostersamstag vor einem Jahr auf einem unbeleuchteten Schotterparkplatz mitten in der 13 000-Einwohner-Gemeinde mit den beiden späteren Opfern getroffen, um „eine Angelegenheit zu regeln“. Bei diesem Treffen sei der jüngste Angeklagte nicht dabei gewesen, daher sei er zu Unrecht elf Monate in Untersuchungshaft gesessen und werde hierfür entschädigt.

Vollautomatische Waffe abgefeuert

Die beiden Cousins fuhren im Wagen der Familie des einen zum Treffpunkt, führte der Vorsitzende Richter weiter aus. Ohne großen Wortwechsel und ohne einen tätlichen Angriff der beiden Jugendlichen feuerte einer der Angeklagten mit einer vollautomatischen Waffe zunächst zehn Schüsse auf den Begleiter von Lukas ab, der daraufhin in die Knie ging und zusammenbrach. „Innerhalb von Millisekunden hielt der Schütze inne, änderte minimal die Schussrichtung“ und tötete mit zwei weiteren Schüssen Lukas, für den jede Hilfe zu spät kam.

Ablauf wurde rekonstruiert

Innerhalb von drei Sekunden gab der junge Mann insgesamt 21 Schüsse ab. Dieser Ablauf konnte anhand der Tonaufzeichnungen der Dash-Cam im Auto durch einen Sachverständigen des Landeskriminalamtes rekonstruiert werden und spricht nach Überzeugung der Kammer gerade nicht für ein „reflexhaftes Abdrücken“ der Waffe, das der Schütze in seiner Einlassung vor Gericht angegeben hatte. Nur dem beherzten Eingreifen von Freunden und einem Polizeibeamten verdankte der 18-jährige Kumpel seine Rettung.

„Letztlich musste Lukas, der gar nicht im Vordergrund stand, wegen einer Lappalie sterben“, sagte Merz, „es gab kein gewichtiges Motiv, es ging auch nicht um Streitigkeiten wegen Betäubungsmitteln.“ Für die Kammer ist vielmehr ein Vorfall gut eine Woche vor dem grauenvollen Geschehen zwischen dem später Schwerverletzten und dem Fahrer Hintergrund der weiteren Entwicklung. Zwischen diesen beiden fielen Beleidigungen, es gab eine Konfrontation, die beinahe in eine körperliche Auseinandersetzung mündete. Auch fiel die Drohung, den anderen „das nächste Mal zu durchlöchern.“

„Dies wollte man nicht als leere Drohung stehen lassen, der Angeklagte wollte den Jugendlichen in die Schranken weisen, und darum bat er seinen Cousin, der bis dahin mit diesen Leuten gar nichts zu tun hatte, ihn zum Treffen zu begleiten“, so Merz weiter. Die Mitnahme der vollautomatischen Waffe erfolgte demnach in beider Übereinstimmung, man agierte aus Großmannssucht, aus Unbeherrschtheit. Die Waffe diente Merz zufolge der Abschreckung und Einschüchterung, sie sollte vorgezeigt und gegebenenfalls auch eingesetzt werden.

Damit hatten die beiden Cousins nach Feststellung der Kammer einen bedingten Tötungsvorsatz, einen im juristischen Sinne Eventualvorsatz, der deutlich von fahrlässigem Verhalten abzugrenzen ist. „Die Angeklagten waren ausreichend intelligent und haben einen Todeseintritt gebilligt“, führte Merz weiter aus. Sie waren in ihrer Steuerungsfähigkeit nicht eingeschränkt, hatten keine vorübergehende Störung und auch die Drogenabhängigkeit des einen reiche nicht aus, die Schuld einzuschränken. „Sie haben keinerlei Rettungsversuche unternommen, sondern sind vom Tatort einfach abgefahren.“

Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft, die für den Schützen neun Jahre Gefängnis gefordert hatte, maß die Kammer dem frühen Geständnis des Angeklagten einen höheren Wert zu, ebenso die Tatsache, dass er sich nach seiner Flucht nach Serbien doch noch den hiesigen Behörden stellte. Dies zeige einen ersten Schritt, sich seiner Tat zu stellen, auch habe er Reue und Bedauern geäußert. Das Gericht sah aber keinen Grund für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

Zum Abschluss seiner Ausführungen wandte sich der Vorsitzende Richter auch an die zahlreichen jungen Leute im Zuschauerraum, die entweder dem Kreis der Angeklagten oder dem der Opfer angehörten: Jeder möge intensiv darüber nachdenken, dass so etwas nie wieder geschehe.

 
 
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