Pur in Ludwigsburg Über zwei Stunden pure Begeisterung

Von Jörg Palitzsch
Für die Bietigheimer Band Pur um Frontmann Hartmut Engler (Mitte) war die Generalprobe zur neuen Tour in der MHP-Arena in Ludwigsburg ein voller Erfolg. Zwei Tage vor dem offiziellen Tourstart konnten die Fans in der Heimat die neuen Songs hören. Foto: Werner Kuhnle

Die Bietigheimer Pop-Band Pur feiert mit 3200 Fans in der ausverkauften MHP-Arena ihr neues Album und startet zu einer Hallen-Tour. Dabei gelingt den Mannen um Hartmut Engler der Spagat zwischen neuen Hits und altbekannten Klassikern. Die Fans zeigen sich begeistert.

MHP-Arena Ludwigsburg: Pur aus Bietigheim-Bissingen, unangefochten die Könige der deutschsprachigen Pop-Musik, gewähren Audienz. Vor der Halle gemischtes Publikum, das hineindrängt, aufgekratzt, erwartungsvoll, Pur-Hits dröhnen vorab von Spotify aus den Handys. Darunter viele Jugendliche, größere Frauen-Gruppen, Familien mit Kindern, ältere Herrschaften, hier und da ein graues Haar.

1975 als Schülerband Crusade gegründet, hat Pur einen äußerst erfolgreichen Kreuzzug durch die Musikgeschichte hinter sich. Das Quartett um Mastermind Hartmut Engler mit seinen wechselnden Schlagzeugern und zum Teil langjährigen Gastmusikern feiert immer noch einen Erfolg nach dem anderen und ist inzwischen eine Band für alle Altersklassen. Zwei Tage vor dem offiziellen Start der Hallen-Tour an diesem Mittwoch in München, der Live-Testlauf am Montag für ihr 17. Studioalbum „Persönlich“ vor heimischem Publikum – nach fünf Jahren Hallenabstinenz.

Vorgruppen heizen Stimmung weiter an

Es ist ein Familien- und Fantreffen und von Anfang an ganz großes Party-Kino in einer wohligen Heimspielatmosphäre. Langsam füllt sich die Arena und die Sängerin Franziska Kleinert, als auch die US-amerikanische A-Cappella-Gruppe Naturally 7 aus New York haben im Vorprogramm keine Mühen, die ungeduldigen Fans in die richtige Stimmung zu bringen.

Entsprechend routiniert beginnt das Konzert mit dem druckvollen „Keiner will alleine sein“, die Hit-Single zum 40-jährigen Bandbestehen. Es folgt „Freunde“, dann „Verschwörer“ von der neuen CD, der das Geschwurbel von Verschwörungstheoretikern aufs Korn nimmt. Als die erste Pyrotechnik aus acht Flammenwerfern gezündet wird und bunte Lichtstrahler die Halle durchdringen, ist es wie ein Weckruf, die Fans kommen richtig auf Touren. „Leute, haben wir das vermisst“, ruft Hartmut Engler der Menge zu.

Ingo Reidl mit überraschendem Auftritt

Auf der Bühne die Kernband mit Sänger Engler, Gitarrist Rudi Buttas und Bassist Joe Crawford. Der Keyboarder und Komponisten der meisten Pur-Hits, Ingo Reidl, hat eine Tumorkrankheit überstanden, spielt aber live nicht mehr mit. Für ihn ist seit 2016 Matthias Ulmer an den Tasten tätig, Reidl wird gegen Ende dann doch noch als Überraschungsgast den Hit „Hab mich wieder mal an dir betrunken“, mitspielen. Am Schlagzeug Frank Dapper, der 2015 dem verstorbenen Drummer Martin Stoeck folgte, sowie Sänger und Keyboarder Cherry Gehring und Gitarrist Severin von Sydow, der seit 2022 dabei ist.

Hartmut Engler ist Hexenmeister und Zauberer zugleich, er hat die Massen in der Hand, er sucht die Nähe zu den Fans. Ihm strecken sich Tausende Arme entgegen, die den Rhythmus mitklatschen und alle kennen die Songs und jeden Refrain auswendig. Gleichwohl funktioniert der charismatische Frontmann nur im Kontext mit der Band.

Pur sind nicht die Botschafter böser Geschichten über kaputte Großstädte, über Coolness und Härte, sondern widmen sich zum größten Teil den Themen Freundschaft, Respekt, Verständnis, Liebe und gebrochene Herzen. Sie spielen aber auch gegen den Krieg an, im Hintergrund unterlegt mit Bildern und Filmclips von Putin, Gaddafi und Hitler. Ältere Hits wie „Seiltänzertraum“, „Wenn Sie diesen Tango hört“, „Hör gut zu“, „Brüder“ und „Indianer“ – keine kulturelle Aneignung, sondern Kindheitserinnerungen – werden in die Jetztzeit geholt und mit neuen Songs wie „Persönlich“, „Abrakatrina“, „Laune“ und „Voll sein“ gemischt, Band und Publikum auf voller Betriebstemperatur.

Cassandra Steen und Naturally 7 beim Höhepunkt dabei

Und es gibt Überraschungen: Bassist Joe Crawford spielt Doppelhalsgitarre, Englers Freund Rüdi kommt zum Duett auf die Bühne, Naturally 7 singen mit Engler eine Version von „Funkelperlenaugen“, die in Rap und Gospel abrutscht, und als Cassandra Steen mit ihm den Song „Ist es mein Gesicht“ und anschließend „Drachen sollen fliegen“ anstimmt ist der Siedepunkt erreicht. Mehr Pur geht kaum, alles versinkt im Lichtermeer der Handytaschenlampen. In der Nachspielzeit gibt es „Ein graues Haar“, eine Selbstreflexion, in der Pur deutlich macht, dass man noch Jahre so weitermachen könnte. Mit einem Publikum wie am Montag, das nach über zwei Stunden aus der MHP-Arena strömt. Noch stärker aufgekratzt, aber auch erschöpft – und glückselig.

 
 
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