Sachsenheim Das „Blechle“ produziert auch für Windparks

Von Martin Hein
Blick in die Gießerei in Großsachsenheim. Gregor Eipert (links) ist seit 2019 Geschäftsführer. Aktuell arbeiten in Sachsenheim und Vaihingen rund 500 Menschen. Foto: /Martin Kalb

 Seit Dezember 2021 gehört Kienle + Spiess zur Schweizer Feintool-Gruppe. Die BZ warf exklusiv einen Blick in die hochmoderne Produktion.

Gussputzerei war einmal, auch Stanzerei und Gießerei sind kaum wiederzuerkennen. Viel, um nicht zu sagen sehr viel, hat sich in den vergangenen Jahren in dem Großsachsenheimer Werk getan, in dem Rotoren und Statoren, allesamt wichtige Komponenten für Elektromotoren, hergestellt werden. Diese Komponenten sind in nahezu jedem Auto, in Elektro-Autos sowieso, in Rollladen-Motoren, Akkuschraubern – kurz – in jedem Gerät, das einen Elektromotor hat, zu finden. Im „Blechle“, wie die Sachsenheimer seit eh und jeh die Produktionsstätte am Bahngleis nennen, geht es hochmodern zu. Wurden früher die gestanzten Bleche zu Paketen sortiert und genietet, wird heute in Sachsenheim geklebt. Glulock nennt sich diese Methode, die voll in die Fertigung integriert ist. Die Klebe-Methode ermöglicht einen höheren Wirkungsgrad des Elektromotors, sagt Gregor Eipert, Geschäftsführer von Feintool in Sachsenheim.

Bleche werden über die Bahnhofstraße angeliefert und mit einem riesigen Kran in das Blechlager gehievt. Rund 70 bis 80 000 Tonnen Blech werden in den Feintool-Werken Sachsenheim und Vaihingen pro Jahr verarbeitet. In der Stanzerei rattern die Schnelllaufpressen. Blech um Blech wird gestanzt, geklebt, gestanzt, geklebt, bis ein fertiges Paket auf einem Band an der Maschine herauskommt. Alles vollautomatisch und für die Kräfteverhältnisse und den Lärm, die eine 220 Tonnen-Presse eigentlich macht, erstaunlich leise.

„Extrem wenig Arbeitsunfälle“

Grund ist laut Gregor Eipert, dass alle Maschinen in einer Lärmeinhausung stehen. Überhaupt wird das Thema Arbeitssicherheit großgeschrieben. Stolz zeigt Gregor Eipert, dass Arbeitsunfälle bei Feintool extrem selten sind. Durchschnittlich passieren pro 1000 Mitarbeiter in der Industrie 33 Unfälle pro Jahr, bei Feintool sind es nur 3,6, darauf ist man in Sachsenheim stolz.

Heiß geht es in der Gießerei zu, allerdings nur, was das Aluminium angeht. Auch dort arbeiten alle Maschinen aus Sicherheitsgründen hinter Sicherheitsgittern. Mächtige Roboter schnappen sich im Sekundentakt die zuvor gestanzten Blechpakete und positionieren diese in der Gießmaschine. Mit rund 760 bis 800 Grad heißem Aluminium wird hier gegossen. Die heißen Pakete werden nach dem Gießvorgang ebenfalls wieder vom Roboter abgegriffen und in Paletten abgelegt.

Kontrolle mit Computertomograph

In Großsachsenheim steht tatsächlich ein Computertomograph (CT), und zwar in der Feintool-Produktionshalle. Geschäftsführer Gregor Eipert erläutert, dass hier die fertigen Statoren mit dem CT geprüft werden. Man legt größten Wert auf absolute Qualität und Sicherheit bei den Feintool-Produkten. Die vollautomatische CT-Kontrolle prüft und befundet, ob sich beispielsweise Lunker im Stator befinden, sollte das der Fall sein, wird das Teil gnadenlos aussortiert. Nur einwandfreie Produkte gehen zum Kunden. Diese Prüfprotokolle sind von jedem einzelnen Produkt jederzeit abrufbar, sagt Eipert.

Im Rotorbearbeitungszentrum werden die gestanzten und paketierten Rotoren auf angelieferte Wellen mit Hitze aufgeschrumpft und so miteinander fest verbunden. Anschließend dreht ein Automat die Rotoren außen ab und wuchtet sie aus. Beim Auswuchten bohrt ein Roboter an vordefinierten Stellen individuell an jedem Rotor exakt die Menge Material aus, damit nachher alles rund läuft. Eine kleine Bürste in der Maschine entfernt gleich den Gussgrat, alles vollautomatisch, versteht sich. In der Abteilung Laser-Wellen-Schleifen werden die Wellen mittels Laser auf das exakte Maß gebracht. Insgesamt weisen die Werke in Vaihingen und Sachsenheim einen hohen Automatisierungsgrad auf. Wer heute einen Blick in die Produktion in Großsachsenheim wirft, sieht überall moderne Maschinen und Roboter am werkeln.

Gregor Eipert ist seit 2018 bei Kienle + Spiess und seit 2019 Geschäftsführer. In Sachsenheim sind aktuell rund 350 und im Werk Vaihingen etwa 150 Menschen beschäftigt. In der Lehrwerkstatt werden 20 Nachwuchskräfte ausgebildet. Pro Lehrjahr jeweils zwei Werkzeugmechaniker, Mechatroniker sowie zwei Maschinen- und Anlagenführer.

„Rund 400 aktive Kunden“

Insgesamt beliefere man rund 400 aktive Kunden, so Gregor Eipert.

Die Hälfte davon aus der Industrie, die andere Hälfte aus dem Automotive-Bereich. Dort gehören nahezu alle namhaften europäischen Autohersteller dazu. Die in Sachsenheim entwickelte Glulock-Technik kommt übrigens auch im Feintool-Werk in China zum Einsatz, „Unsere Produkte und unser Know-how sind weltweit gefragt“, so Gregor Eipert.

Stolz auf die Tradition

Auf die Rolle, die Kienle + Spiess bei Feintool spielt, antwortet Geschäftsführer Eipert, dass man stolz auf die Tradition sei. Kienle + Spiess bereichere das Portfolio von Feintool. Feintool-Pressesprecherein Karin Labhart ergänzt, dass man bei Feintool stolz darauf sei, dass Kienle + Spiess nun zur Feintool-Unternehmensgruppe gehöre. Jeder Feintool-Standort sei auf bestimmte Aufgaben spezialisiert. Ausbaupläne gibt es in Großsachsenheim derzeit nicht, sagt Eipert, man sei flächenmäßig in Sachsenheim limitiert. In Vaihingen habe man Platz gehabt und dort eine neue Produktionshalle erstellt.

Die Auftragslage bezeichnet Eipert derzeit als schwierig, vor allem im Industriebereich. Im Automotive-Bereich sieht Geschäftsführer Eipert Feintool in der Pole-Position. Die Elektrifizierung schreite in allen Bereichen voran.

Die Anwendungsbereiche für die Produkte aus Sachsenheim und Vaihingen sind schier unüberschaubar. So werden hier Komponenten für den weltweit größten Offshore-Park hergestellt. Die 14 Megawatt-Anlage soll künftig Strom in der Nordsee produzieren und das Kernstück der dafür notwendigen Windkraftanlagen kommt aus Sachsenheim.

„Technologisch die Nummer eins“

Nach Auskunft von Gregor Eipert ist Feintool in Großsachsenheim und Vaihingen mit seinen Produkten derzeit europaweit auf Platz zwei, „Technologisch sind wir die Nummer eins“, gibt sich der Geschäftsführer selbstbewusst. Man sei in der Feintool-Unternehmensgruppe gut integriert und hervorragend aufgestellt. Mittelfristig wolle man in Europa die Nummer eins werden und weltweit in die Top 3, so Eipert.  

 
 
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