Sachsenheim Eine Frau geht ihren Weg

Von John Patrick Mikisch
Die Sachsenheimerin Katja Kaselow marschierte 500 Kilometer in 14 Tagen auf dem anspruchsvollen Camino Via de la Plata zum Wallfahrtsort Santiago de Compostela. Foto: /privat

Katja Kaselow ist auf dem Jakobsweg 500 Kilometer in 14 Tagen gewandert, eine echte Tortour. Warum macht man das?

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ape Kerklings Buch über seine Pilgerreise nach Santiago de Compostela heißt „Ich bin dann mal weg“. Bei Katja Kaselow könnte der Untertitel „Und schnell wieder da“ lauten: Für die 500 Kilometer von Salamanca zum Ziel brauchte die Sachsenheimerin gerade einmal 14 Tage.

Gereist sei sie schon immer viel, etwa nach Südamerika, Indien, und Russland, erzählt sie. „Und diese Strecke stand noch auf meiner Löffelliste, also die Liste mit den Sachen, die ich machen möchte, bevor ich den Löffel abgebe. Außerdem bin ich Extremwanderin“, erklärt die 47-Jährige.

Das muss man wohl auch sein, für den Camino Via de la Plata. Der sogenannte Silberweg ist einer der sieben Hauptpilgerpfade, die über die iberische Halbinsel zum Wallfahrtsort Santiago de Compostela in der Nordwestecke Spaniens führen.

Einsamer Weg

Obwohl der Weg schon in römischer Zeit als Handels- und Militärstraße angelegt wurde, ist er im Vergleich zu den anderen Routen relativ wenig frequentiert. „Nur fünf Prozent aller Pilger nehmen diese Route“, sagt Katja Kaselow. Die ist überhaupt erst seit 1991 mit Pfeilen markiert und damit offiziell als Jakobsweg eingerichtet worden.

„Die Etappen zwischen den einzelnen Pilgerherbergen sind lang, 35 Kilometer und mehr“, erzählt die 47-Jährige, die sonst als Projektmanagerin bei einer Bank arbeitet. Zwischen den Wegstrecken gibt es nur wenige Möglichkeiten zu rasten und sich zu erfrischen, aber umso mehr Landschaft. „Man trifft auf wenige andere Pilger“, sagt sie. An manchen Tagen fand ich es schon bemerkenswert, eine Kuh oder eine Katze gesichtet zu haben.“

Mehr als 40 Kilometer am Tag

Allein war sie trotzdem nicht. Mit der Sachsenheimerin wanderten der kanadische Unternehmer David und der französische Pilot Michel. „David habe ich vergangenes Jahr auf einer Tour über den Camino del Norte kennengelernt“, erzählt Kaselow. „Er ist täglich mehr als 40 Kilometer gelaufen, das wollte ich auch.“

Für dieses Jahr verabredeten sich die beiden auf dem Camino Via de la Plata. David brach am offiziellen Startpunkt des insgesamt 1000 Kilometer langen Pilgerpfads in Sevilla auf. Der Franzose Michel war sogar im 240 Kilometer entfernten Gibraltar gestartet. Katja Kaselow traf die beiden in Salamanca für die letzten 500 Kilometer. „Mehr war in den 14 Tagen Urlaub leider nicht drin.“

Vorbereitung mit Megamarsch

Auf die Tour hatte sie sich gut vorbereitet, zumindest physisch. „2021 habe ich mit dem Walken angefangen“, erzählt sie. „Viel mehr war während der Lock-downs in der Coronaepidemie ja nicht möglich“ Seitdem geht sie fast täglich acht Kilometer auf ihrer Hausstrecke von Großsachsenheim nach Bietigheim, im Training für den Jakobsweg auch mit Rucksack und nachts. „Weil ich wenigstens eine Etappe über 40 Kilometer gehen wollte, habe ich vorigen Oktober beim Frankfurter Megamarsch mitgemacht.“ Dabei lief sie in 24 Stunden 100 Kilometer weit.

Eine echte Herausforderung, aber nichts verglichen mit den unerwarteten Strapazen auf dem Camino Via de la Plata. Dass die Etappen lang waren, wusste Katja Kaselow. Dass der Weg nicht nur durchs Flachland führt, sondern zwischen den Regionen Kastilien und Leon auch über mehrere Bergetappen führt, hingegen nicht.

Schnee, Regen, kalte Herbergen

Die hatten es in sich, denn die sind lang und führen auf 1350 Meter Höhe. Hinzu kam unvorhergesehen ausgesprochen schlechtes Wetter. „Regen hatte den Weg in einen Fluss verwandelt“, erinnert sich die gebürtige Berlinerin. Auf der dritten Bergetappe musste die Dreiergruppe durch 30 Zentimeter hohen Schnee stapfen. Völlig durchnässt, denn auf diesem Jakobsweg verfügen nicht alle Pilgerherbergen über Wäschetrockner. Oder geheizte Zimmer. Oder Bettdecken.

„Auf der vierten Bergetappe war ich abends nass bis auf die Knochen und konnte mich vor Kälte in der Herberge kaum bewegen“, erzählt Katja Kaselow. Spanische Pilger packten ihre Sachen in einen Trockner und liehen ihr Kleidung aus. „In einem Restaurant habe ich mich neben einen Ofen gesetzt und mich langsam wieder aufgewärmt.“

Am nächsten Tag war sie mit ihren Begleitern wieder auf der Straße und legte die letzten fünf Etappen zum Ziel zurück, wo sie ihr Compostela erhielt. Die offizielle Bescheinigung erhalten nur Pilger, die mindestens die letzten 100 Kilometer nach Santiago zu Fuß zurückgelegt haben.

Klingt selbstverständlich, doch gerade auf den langen Tagesetappen davor gehen viele Pilger nur einen Teil der Strecke und legen den Rest per Taxi zurück, wie Katja Kaselow berichtet.

Am Ziel in Santiago mischte sich in den Stolz, einen schwierige Weg komplett zu Fuß zurückgelegt zu haben, auch Wehmut, dass das Abenteuer nun zu Ende ist. Und die Erkenntnis: „Nach dem Camino fängt der Camino erst an.“ Denn die Rückkehr in den gewohnten Alltag ist ein starker Bruch, berichtet die 47-Jährige.

Was dagegen hilft? Wandern natürlich. Im Oktober will sie am 60-Kilometer-Mammutmarsch in Stuttgart teilnehmen. Im nächsten Jahr soll es wieder auf den Jakobsweg, diesmal mit der Familie über ein Teilstück des Camino Portugues.

 
 
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