Sachsenheim Familie Weißschuh pflegt rund 50 Hektar Blühwiesen

Von Martin Hein
Lassen für Insekten Blumen auf großer Fläche stehen: Die Landwirt-Familie Weißschuh aus Häfnerhaslach (von links): Papa Stefan mit den Kindern, Luisa, Janis und Mama Jasmin. Foto: /Martin Kalb

Um die Förderung für die Erhaltung von artenreichem Grünland zu bekommen, müssen bis zu 1800 Pflanzen fotografiert und die Fotos hochgeladen werden.

Es summt und brummt auf einer großen bunt blühenden Wiesen bei Häfnerhaslach. Lichtnelken, Glockenblumen, Margeriten, Günsel, der große Klappertopf, Vergissmeinnicht oder der Dunkle Wiesenknopf stehen in voller Blüte.

An einer Lichtnelken-Blüte sitzt ein kleiner grün-metallic-farbener Fallkäfer. Daneben krabbelt ein Maikäfer am Stängel einer Margerite empor. Hummeln und Bienen fliegen von Blüte zu Blüte. Schmetterlinge wie das Große Ochsenauge, Schwalbenschwanz oder auch der seltene Ameisenbläuling, der auf der roten Liste steht, flattern aufgeregt inmitten der bunten Blütenpracht und finden reichlich Nektar.

Kurz und gut, auf dieser wunderschönen Wiese im Gewann „Streitwiesen“ ist allerhand los, die Natur augenscheinlich intakt und die Welt noch in Ordnung. Auch Hirschkäfer, Gottesanbeterinnen sind dort zu finden, erzählt Landwirt Stefan Weißschuh, der sich bestens mit allem was dort blüht, „kreucht und fleucht“ auskennt.

50 Hektar artenreiche Wiesen

Seit mehreren Generationen betreibt die Familie Weißschuh ein landwirtschaftliches Anwesen in Häfnerhaslach. Rund 60 bis 70 Hektar Ackerfläche auf denen beispielsweise Futtermais, Weizen, Wintergerste und Raps angebaut werden, sowie 40 Milchkühe und etwa 45 Stück Jungvieh umfasst der Bauernhof im Kirbachtal.

Dazu kommen 50 Hektar so genannte Blühwiesen. Blühwiesen sind artenreiche Wiesen, mit einem hohen Anteil blühender Pflanzen. Besonderes Merkmal der Blühwiesen ist, dass neben Blumen auch viele Gräser wachsen, die Wiesen dauerhaft an einem Standort bestehen und extensiv genutzt werden.

Alle Blumen wild aufgegangen

Die Blumen, die auf diesen Wiesen wachsen, wurden nicht gezielt gesät, sondern sind dort von selbst aufgegangen. „Wir haben quasi Biostatus“, sagt Stefan Weißschuh. Kein mineralischer Dünger wird auf den Blühwiesen ausgebracht, Pflanzenschutz ohnehin nicht. Das Grünland sei zudem ein wertvoller CO2-Speicher.

„Man wird zwangsläufig zum Botaniker“, sagt Stefan Weißschuh augenzwinkernd, und freut sich über die Blütenpracht auf seiner Blühwiese.

Für solche Blühwiesen auf denen eine Düngung, wie bereits erwähnt, absolut tabu ist, gibt es eine Förderung. Um diese zu erhalten, müssen exakt definierte Förderkriterien erfüllt werden. Die Erhaltung von artenreichem Grünland, wozu Blühwiesen gehören, wird in Abhängigkeit vom Vorkommen bestimmter Pflanzenarten gefördert. Und genau da wird es kompliziert.

33 Kennarten definiert

Dazu hat das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg einen Katalog mit insgesamt 33 sogenannten Kennarten festgelegt, die auf solchen förderfähigen Wiesen vorkommen müssen. Der Katalog heißt „Kennarten des Artenreichen Grünlands im Rahmen der Öko-Regelung 5 und FAKT II“. „Die außergewöhnlich große Blütenpracht von artenreichem Grünland gestaltet ein Stück unserer herrlichen Kultur- und Erholungslandschaft in Baden-Württemberg“, heißt es da. Gerade die für den Ertrag der Nutzpflanzen so wichtigen Insekten finden durch die lange Blühdauer im artenreichen Grünland optimale Lebensbedingungen vor, deshalb fördere das Land Baden-Württemberg mit dem Förderprogramm die Erhaltung von artenreichem Grünland, heißt es weiter. Zu den Kennarten gehören beispielsweise Augentrost- und Baldrian-Arten, Bärwurz, Zittergras, Klappertopf- und Pippau-Arten, Schlüsselblumen, Thymian- und Wiesenknopf-Arten, um nur einige zu nennen.

Nebenbei bemerkt gibt es solche Kataloge auch für die anderen Bundesländer, mit teils anderen Kennarten. Die Förderkriterien sind genau definiert: Mindestens vier dieser Pflanzen müssen nach der Öko-Regelung 5 oder sechs Kennarten nach der Regelung FAKT II nachgewiesen werden.

Nun reicht es natürlich nicht, der Behörde zu melden, welche dieser Pflanzenarten auf den entsprechenden Wiesen wachsen, das wäre zu einfach.

Für jedes Bewirtschaftungsgebiet, das in so genannte Schläge unterteilt wird, müssen 12 Fotos von den Kennarten eingereicht werden. Dies sei ein immenser Aufwand, gibt Jasmin Weißschuh zu bedenken. In der Summe kommen beim Betrieb der Familie Weißschuh insgesamt bis zu 1800 Fotos zusammen, die über eine App des Ministeriums hochgeladen werden. Jedes Foto ist mit georeferenzierten Daten hinterlegt, anhand derer exakt bestimmt werden kann, wo genau das Foto aufgenommen wurde. Erst nach Prüfung dieser Daten wird dann eine Vergütung im niedrigen dreistelligen Euro-Bereich pro Hektar ausbezahlt. Diese Vergütung gibt es seit 2023.

Sie sei alleine für die erforderlichen Fotos über 40 Stunden unterwegs, betont Landwirtin Jasmin Weißschuh und beklagt, dass der Bürokratie-Aufwand ständig zunehme.

Fotos werden über App hochgeladen

Ab 2025 ist das Hochladen der Fotos über die App sogar Pflicht.

Jasmin und Stefan Weißschuh haben beim Ministerium angefragt, ob auch Drohnen-Fotos eingeschickt werden können, statt der vielen Einzel-Aufnahmen. Eine Antwort auf die Anfrage stehe noch aus, sagt Jasmin Weißschuh. Das Vorhalten der Blühwiesen ist wegen diverser Einschränkungen auch mit finanziellen Einbußen verbunden. So dürfen die Blühwiesen, die als Heufläche dienen, nur in bestimmten Zeitfenstern gemäht werden. Ein bis zwei Schnitte gehen durch die Bestimmungen verloren.

Trotz allem: „Blühwiesen sind uns eine Herzensangelegenheit“ sagen Jasmin und Stefan Weißschuh und appellieren an die Verbraucher, regionale Produkte zu kaufen. Die Milch aus Häfnerhaslach ist übrigens als Schwarzwaldmilch im Handel erhältlich.

 
 
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