Sachsenheim Juden-Präsenz in der Region

Von Martin Hein
Juden aus Freudental kehrten immer wieder im Gasthaus „Rose“ in Hohenhaslach ein. Foto: /Verein für Heimatgeschichte

 In der aktuellen Mörin befasst sich Walter Christ mit dem PKC in Freudental und dem Bezug zu Sachsenheim.

Als der Autor der jüngsten Ausgabe der „Mörin“ des Vereins für Heimatgeschichte Sachsenheim, Walter Christ, sich 2023 daran machte, das Thema Juden in Freudental und Sachsenheim anzugehen, konnte er nicht ahnen, wie bedrückend aktuell diese Thematik noch werden sollte. Auf 36 Seiten erinnert der Journalist an Zeiten, als es in der Region noch Juden gab.

Der Bogen in der mit vielen Fotos gespickten „Mörin“ reicht von der Zeit vor 1700 Jahren über die einstige Synagogen-Phase ab 1770 bis hin zur heutigen Situation. Die Recherchen waren in Archiven von Berlin bis Sachsenheim sowie über den Zentralrat der Juden in Stuttgart möglich geworden. Als besonders bedrückend wird mit Blick auf aktuelle Geschehnisse deutlich gemacht, wie sehr sich manches wiederholt. „Alles so, als hätte es Auschwitz und insgesamt sechs Millionen grausam ermordete Juden nie gegeben“, sagt Walter Christ in der „Mörin“.

1862 lebten 377 Juden in Freudental

Laut den Recherchen gab es in Freudental 1862 insgesamt 377 jüdische Mitbürger. Das waren mehr als 40 Prozent der Gesamtbevölkerung im Dorf. Diese Zahl änderte sich mit Beginn der Nazi-Epoche radikal. Was das Umfeld Freudentals anbelangt, lebten in Bietigheim-Bissingen nur zwei jüdische Familien. De Juden von Mühlacker gehörten auch zur Synagoge in Freudental. Und für den Raum Sachsenheim/Vaihingen heißt es in der Oberamtsbeschreibung Vaihingen in der Mitte des 19. Jahrhunderts: „Die Bewohner des Bezirks sind evangelisch, mit Ausnahme von etwa 100, welche der katholischen Confession angehören. Juden sind keine im Bezirk“. Auch der Zentralrat der Juden in Stuttgart äußerte sich auf Christs Nachfrage eher skeptisch, dass sich im Raum Sachsenheim Juden angesiedelt waren.

„Extrem ländliche Gegend“

„Es ist eine extrem ländliche Gegend und da fand eher eine Ansiedlung an Orten statt, wo entweder schon andere Familien waren oder bei wirtschaftlichen Besonderheiten, beispielsweise die Bahnanbindung von Mühlacker, und die Familie Emmerich (teilweise just aus Freudental stammend), die dorthin zuzog, um unternehmerisch tätig zu sein“, so die Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg in Stuttgart. Im Stadtarchiv von Sachsenheim wurde Walter Christ doch fündig. Aus Originalunterlagen von Volkszählungen in Großsachsenheim in den Jahren 1880 und 1885 gab es 1880 in der Religions-Rubrik bei „Israeliten“ eine Person und 1885 zwei Personen, die aufgeführt sind. In Ochsenbach taucht in der Liste von 1880 ebenfalls nur eine Person auf.

Eine temporäre spätere Ausnahme bezüglich Juden-Präsenz in Großsachsenheim war der renommierte jüdische (evangelisch getaufte) Facharzt für Infektionskrankheiten und Gynäkologie Dr. Adolf Levi. Er war von Oktober 1943 bis Dezember 1944 so genannter „Behandler“ im Krankenlager für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, das sich auf dem heutigen Großsachsenheimer Eichwaldgelände in der Nähe des damaligen Militärflugplatzes befand. Ebenfalls bemerkenswert ist das Kapitel über die Hilfe des Hohenhaslacher Bäckers Karl Wörner für Juden in Not.

Landbesitz beim „Promille-Sträßle“

Allerdings sind durchaus auch andere Bezüge zu den Juden in Freudental bekannt. Dort beheimatete jüdische Landwirte hatten nämlich nicht nur Felder im Bereich der heute als „Promille-Sträßle“ bekannten Fluren in Kleinsachsenheim besessen und bewirtschaftet. Sie waren, wie aus dem Almanach „Weinort Hohenhaslach“ samt authentischem Bild hervorgeht, auch gerne ins Gasthaus „Rose“ in Hohenhaslach eingekehrt. „Auf ihren Verkaufstouren nach Vaihingen war das Kirbachtal offenbar ein willkommener Zwischenstopp“, folgert der heutige Leiter für Pädagogik & Kultur des PKC, Michael Volz.

Er führt zusammen mit Geschäftsstellen-Leiterin Isolde Kufner seit sechs Jahren als Nachfolger das PKC und pflegt dabei auch Kontakte zu vielen Schulen im Landkreis. Allen voran die Kirbachschule Hohenhaslach und deren Lehrer Jochen Seiter.

Gemeinsame Schulterschlüsse wie beispielsweise Gedenkfeiern zur Erinnerung an die Pogromnacht sorgen dafür, dass dieser Bezug von Freudental und Sachsenheim immer stärker wird und keinesfalls Gras über das Thema Juden wächst. 

 
 
- Anzeige -