Der Abend im hoffnungslos überfüllten und restlos ausverkauften Sachsenheimer Kulturhaus beginnt mit der überraschenden Erkenntnis: „Alle Welthits der Rock- und Popgeschichte waren ursprünglich schwäbisch.“ Die Stones, Pink Floyd, Deep Purple, Jimi Hendrix oder die Dire Straights hätten sie kurzerhand ins Englische übersetzt und damit einen riesigen Reibach gemacht. Die „wohl größte Rettungsaktion der schwäbischen Popgeschichte“ verspricht nun die „Franz-Mayer-Experience“ rund um den Oberschwaben Alex Köberlein, den legendären Gründer und Leadsänger der ebenso legendären „Schwoba“-Rockgruppe Schwoißfuaß und Grachmusikoff.
Sachsenheimer Kulturhaus Fetziger Schwaben-Rock mit hohem Spaßfaktor
Der ehemalige Schwoißfuaß- und Grachmusikoff-Frontmann Alex Köberlein wird mit seiner „Franz-Mayer-Experience“ im ausverkauften Kulturhaus in Sachsenheim frenetisch gefeiert. Der 72-jährige „Schwoba-Rocker“ wühlt tief in der Schatztruhe seines langen Musikerlebens
Wer covert nun wen? Was war zuerst? Die Henne oder das Ei? Das bunt durchmischte Publikum, darunter auch viele Kinder und Jugendliche, kümmert das wenig. Am ersten Sommertag des Jahres sind Party und gute Laune angesagt. Also fackelt Alex Köberlein auch nicht lange und kommt gleich zur Sache – mit seinen ebenso gut aufgelegten Kumpels Ralf Trouillet (E-Bass), Joo Aiple (Schlagzeug), Matze Reimann (E-Gitarre) und Steff Hengstler (Keyboard).
Es geht Schlag auf Schlag
Dann geht es Schlag auf Schlag. Bluesige, krachend laute und rockige, sphärisch-mystische und reggaeartige Titel wechseln sich ab. Wer kein Schwäbisch versteht, hat die A-Karte gezogen und kommt den witzigen, manchmal auch hintergründigen Texten nicht auf die Spur. Doch es sind ja wohl ausschließlich Schwaben in Sachsenheims guter Stube, oder?
Musikalisch sind alle siebzehn Titel plus vier Zugaben top. Es groovt und swingt zwei volle Stunden lang. Die Stimmung ist bombig. „Sachsenheim ist schwül“, so Alex Köberlein, der den ganzen Abend über sein mitgebrachtes Frotteehandtuch bemühen muss. Ja, es ist ein heißer Abend – in gleich mehrerlei Hinsicht.
Der musikalische Bogen, den das Quintett spannt, ist erstaunlich weit. Routiniert spulen die Fünf ihr außerordentlich kurzweiliges Programm ab. Da „sitzt“ und „passt“ wirklich alles: Köberleins Saxophon- und Querflöten-Einlagen, großartige E-Gitarren-Soli, sphärischer Keyboardsound, tolle E-Bass-Riffs und ein verspielter Drummer – und immer wieder die Stimme des Frontmanns, die im fortgeschrittenen Alter rein gar nichts an Charme und Ausdruck verloren hat.
Mit Fug und Recht darf das Ausnahmetalent Köberlein als der letzte ganz große Schwoba-Rocker bezeichnet werden, nachdem die Szene schon 2003 den großartigen Wolle Kriwanek verloren hat. Alles geht Köberlein noch locker von der Zunge: Das gellende Rockgekreische, die sanften, bluesigen Passagen und die launigen Hinführungen zu den einzelnen Titeln – im breiten Schwäbisch, versteht sich.
Satter Applaus vom Publikum
„Dein Vaddr war an harda Hond“, „Land do onda“, „Die Sach am See“, „Halt dia Dampflok a“ – und wie die Titel alle heißen. Bei den „Ghost Riders in the Sky“ singen alle mit: „Jippieioo, jippieiee“. Es ist der Abgesang auf den fiktiven Franz Mayer, ihn „ziad’s en d’Heh“. „Oinr isch emmr dr Arsch“ darf natürlich nicht fehlen – ein wirklich „glatter“ Titel. Am Ende gibt es krachend lauten Applaus, der Umsatz an der Getränkebar ist stattlich. Und das Fazit: Der Abend ist sein Geld wert.