Die Gelegenheit, mit Reiner Pfisterer persönlich durch seine Ausstellung „From Voices to Images. 40 Jahre Musikfotografie“ in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen zu gehen, ist unvergleichlich. Eine Stunde dauert so ein Rundgang, bei dem der Bissinger Fotograf zu jedem Foto eine Geschichte erzählen kann – mal lustig, mal kurios und mal kommen Pfisterer selbst die Tränen, als er über die Serie „Von Quito in die Cannstatter Kurve“ mit Fotos der inklusiven Ludwigsburger Brenz Band spricht.
Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen Die Geschichten hinter den Fotos
Am kommenden Sonntag, 12. Mai, wird im Rahmen von BIBIPop auch die Ausstellung „From Voices to Images. 40 Jahre Musikfotografie“ des Bissingers Reiner Pfisterer eröffnet.
Das entscheidende Foto für die Karriere
Pfisterer ist mit Leidenschaft Musikfotograf, auch wenn dies nicht sein einziges Fotometier ist. „Musik und Fußball waren immer meine Hobbys und beide ließen sich durch die Fotografie gut verbinden“, sagt er.
Zu Beginn der Ausstellung im Altbau der Galerie steht denn auch das Foto, das Pfisterer selbst als das entscheidende für seine Karriere zum Fotografen hält. Es stammt aus dem Jahr 1985 und wurde auf der Eselsbrücke in Metterzimmern gemacht – als Freundschaftsdienst. Denn Pfisterer ist seit Schulzeiten eng mit Heiko Maile, Marcus Meyn und Oliver Kreyssig befreundet und macht das Foto für die erste Demokassette der Bietigheimer Band Camouflage, die bald darauf mit „The Great Commandment“ ihren ersten Hit hatte. Die Demokassette sorgte dafür, dass das Frankfurter Label Westside auf die Band aufmerksam wurde.
Die Ausstellung geht chronologisch durch Pfisterers Karriere. „Es ist was ganz Besonderes, in meiner Heimatstadt meine Fotos zu zeigen“, so Pfisterer. Im ersten Kabinett und in einer Vitrine stehen denn auch Fotos, die zeigen, wie Pfisterer das Bietigheimer Musikleben porträtierte. Denn schließlich ist seine Ausstellung in das Projekt „BIBIPop“ integriert. Laut Galerieleiterin Isabell Schenk-Weininger passt ein lokaler, aber international tätiger Musikfotograf auch gut in ein lokales Musikprojekt.
Pfisterers Karriere bekommt Ende der 1980er Aufwind, als er sich selbstständig macht. Er fotografiert in Serie „Die Dissidenten“, Jule Neigel, Sven Väth oder Holger Czukay von „Can“. „Ich konnte die musikalischen Helden meiner Jugend fotografieren“, sagt er. Daneben fotografiert er aber auch Musikpionier Oskar Sala, Erfinder des Trautoniums, eines der ersten elektronischen Musikinstrumente.
Die 2000er-Jahre stehen für Pfisterers Festivaltätigkeit. „Ich kann mit Fug und Recht sagen, dass ich der Fotograf war, der die meisten Festivals fotografierte.“ Zwei bis drei Festivals und Konzerte an einem Wochenende waren keine Seltenheit. In diesem Kabinett zeigt er zwei Fotos, die noch nie veröffentlicht wurden, ihm aber sehr viel bedeuten: von Nick Cave und der norwegischen Band Madrugada. Pfisterer erzählt, dass er die Band auf den Jazz Open, deren Fotograf er seit der Gründung 1994 ist, wieder traf und ihnen das in der Städtischen Galerie ausgestellte Foto zeigte. Die Bandmitglieder waren zu Tränen gerührt, ein Foto aus dem Jahr 2000 zu sehen, vor allem weil der unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommene Gitarrist Robert Buras auf dem Foto ist.
Eine wichtige Station, so Pfisterer, waren auch die 16 Jahre, in denen er die Düsseldorfer Band „Die Toten Hosen“ fotografierte, mit der er auch auf Tour in Argentinien war. „In Buenos Aires fand eines der legendären Wohnzimmer-Konzerte statt, 40 Mann und die Band auf 30 Quadratmetern“, erinnert sich Pfisterer. Eine weitere Serie ist die mit dem Stuttgarter Kammerorchester, für das er seit 2010 fotografiert. Er begann auch abseits von dessen Konzerten zu fotografieren. In der Galerie sind Fotos einzelner Musiker zu sehen, die mittags in ihren Hotelzimmern proben oder vom mageren Catering in Hongkong: Banane, Wasser und Kaffee.
Aus der Serie mit der Brenz Band sind zwei Bücher entstanden sind. Pfisterer brachte die Band mit ihrem Lieblingsverein, dem VfB Stuttgart, zusammen. 2017 entstand eine Fotoserie und ein Video vom Ludwigsburger Filmemacher Jochen Laube, in dem die inklusive Band und die VfB-Hymnen-Band „Die Fraktion“ gemeinsam Musik machen. Noch heute wird dieses Video im Stadion vor jedem Spiel des VfB gezeigt.
Das spektakulärste Foto: mit Kraftwerk und Alexander Gerst
Für den Bissinger das spektakulärste Foto ist eines von den Jazz Open. Die Band Kraftwerk trat auf und schaltete für alle überraschend am 20. Juli 2018 um 21.50 Uhr den Astronauten Alexander Gerst aus der ISS zu und intonierte mit ihm den Song „Space Lab“. „Good Evening Kraftwerk“ ging um die Welt und mit ihm drei Fotos des Bissingers. „Das ist einmalig und wird so nie mehr passieren“, sagt Pfisterer.
Auch im Auftrag der Rolling Stones hat er schon fotografiert: das Meet und Greet der Band mit Fans. „Das war kein besonders schweres Fotografieren, aber wann darf man schon mal für die Rolling Stones fotografieren.“ Auf dem Konzert in Stuttgart entstand ein intim anmutendes Foto von Mick Jagger. „Ich hatte das Gefühl, ich bin ihm ganz nahe.“
Dann kam Corona und machte einen Schnitt. „Plötzlich brachen alle Aufträge weg“, sagt Pfisterer. Nachdem er „lange genug Rad gefahren war“, hatte er die Idee zu „Die Rückkehr der Musik“, einer Serie, die zeigt, „dass die Musik nie weg war und sich Plätze erobert hat“, sagt Pfisterer. Er fotografierte in ganz Deutschland, „von der grünen Wiese bis in die Elbphilharmonie“, wo Musik gemacht wurde und wie. Daraus entstanden sechs Postkartensets, die im Schuber für 40 Euro in limitierter Auflage von 300 Stück ab Sonntag, 12. Mai, in der Galerie verkauft werden.
Es sind die Geschichten, die diese Ausstellung spannend machen und die auf Texttafeln dargestellt sind. Noch besser aber ist es, mit Reiner Pfisterer durch seine Ausstellung zu gehen. Die Gelegenheit gibt es am Sonntag, 30. Juni, 11.30 Uhr, und am Donnerstag, 5. September, 18.30 Uhr.