Theaterkünstler Zwei Bietigheimer als kreative Köpfe des Luzerner Theaters

Von Yannik Schuster
Valentin Köhler ist Hausszenograf, Ina Karr Intendantin am Luzerner Theater. Ursprünglich kommen beide aus Bietigheim-Bissingen. Foto: /Bennett Smith

Intendantin Ina Karr und Hausszenograf Valentin Köhler sprechen mit der BZ über ihre Kindheit an Metter und Enz und ihre Arbeit am Theater.

Als Theaterstadt ist Bietigheim-Bissingen nicht gerade bekannt. Und doch haben es zwei Kinder der Stadt geschafft, sich in der Branche einen Namen zu machen. Zum Einen wäre das Ina Karr, Intendantin des Luzerner Theaters, und Bühnen- und Kostümbildner Valentin Köhler, den Karr als Hausszenografen in die Schweiz lotste.

Karr absolvierte ihr Abitur an den Ellentalgymnasien ehe sie Musikwissenschaft und Neuere deutsche Literaturgeschichte sowie Schulmusik und Germanistik in Freiburg studierte. Im Anschluss arbeitete sie als Dramaturgin am Mannheimer Nationaltheater, als Operndirektorin am Staatstheater in Oldenburg und leitete von 2014 bis 2020 als Chefdramaturgin die Sparte Oper am Staatstheater in Mainz. Zu dieser Zeit lernte sie Valentin Köhler kennen. Eine Begegnung aus der viele Zusammenarbeiten entstehen sollten.

Als Karr 2021 die Stelle als Intendantin des Luzerner Theaters antrat, holte sie Köhler als Hausszenografen mit ins Boot. Dass beide aus derselben Stadt kommen, erfuhren sie erst später. „Für mich war das undenkbar, dass aus Bietigheim-Bissingen noch jemand kommt, der Theater macht“, sagt Valentin Köhler, der die ersten 16 Jahre seines Lebens in der Stadt an Metter und Enz gelebt und die Realschule im Aurain besucht hat. „Dann habe ich erstmal meine Familie gefragt, ob sie die Karrs kennen, mein Großvater kannte nämlich jeden.“ So auch die Familie Karr, die gut im Leichtathletik und Fußball vernetzt war.

Im Schulchor und der Kunstschule Labyrinth habe er seine Leidenschaft für das Performative und Künstlerische entdeckt. Köhler studierte Szenografie und Innenarchitektur in Basel sowie Bühnen- und Kostümbild in Berlin.

Theater als Ganzes denken

Der kreative Grundgedanke der beiden: Das Theater als Ganzes denken. Inhalt, Visualisierung, die verschiedenen Sparten als Gesamtkonzept. „Das Herz eines Theaters sind die Bühnen. Gleichzeitig ist das Theater als Ganzes viel mehr“, sagt Karr. Nicht in einzelnen Produktionen, sondern ganzheitlich denken. Kulminiert sei dieser Gedanke in einer besonderen Rauminstallation, die die Spielzeit 2023/24 eröffnete: Das Haus. Im Luzerner Umland fand Köhler eine 150 Jahre alte Mosterei, ließ die Balken abtragen und im Theatersaal wieder als Fachwerkgerüst aufbauen. „Optisch ein bisschen wie in Bietigheim-Bissingen“, sagt Karr, deren Lieblingsort in der alten Heimat die Stadtbücherei war. Aus der Raumidee entstand schließlich das inhaltliche Konzept. So schuf man einen Spielort für die Produktion „Orestie“ und die Oper „Dido und Aeneas“. Über Wochen reservierte Karr den Saal für Proben und Vorstellungen der Stücke.

Ein weiterer Schwerpunkt Karrs ist die Förderung neuer Formate insbesondere im Musiktheater. So inszenierte das Musiktheaterkollektiv „Agora“, zu dem auch Köhler gehört, zum Beispiel eine musiktheatrale Reise zur Endlichkeit des Menschen auf dem Gelände eines alten Krematoriums in Luzern. „Geschichten zu erzählen ist wichtig. Gerade auch, um die Komplexität unserer Zeit aufzubrechen“, sagt Karr.

Fokus auf den Nachwuchs

Gemeinsam gründeten Karr und Köhler die hausinterne Weiterbildungsakademie „Reflektor“. „Wir haben um die 70 verschiedene Berufe am Theater, Mitarbeiter aus verschiedenen Kulturen. Das Wissen wollen wir auch den jungen Mitarbeitern zur Verfügung stellen“, so Karr. Valentin Köhler leitet die Akademie nun bereits seit zweieinhalb Jahren.

Generell nimmt der Nachwuchs eine wichtige Rolle in den Planungen der 55-Jährigen Intendantin ein. So gründete Karr am Luzerner Theater die Sparte für das Kinder- und Jugendtheater. „Auch der Nachwuchs hat einen Anspruch auf Theater. Deshalb wollten wir ein Programm entwickeln und es zugänglich machen.“ Karr sagt weiter: „Kinder sind nicht das Publikum von Morgen sondern von Jetzt.“ Im Rahmen des Patenkinder-Projekts werden 230 Kinder, die im ersten Jahr der Intendanz in Luzern geboren wurden, bis zu ihrem sechsten Lebensjahr jährlich mit einer altersgerechten Produktion begleitet.

Unter anderem stellte Köhler so ein Krabbelkonzert für die ganz Kleinen auf die Beine, um ihnen erste sinnliche Theatererlebnisse zu bescheren. „So unvermittelt wie da kann man kein Theater machen“, sagt der 37 Jahre alte Familienvater. Gleichzeitig stellen solche Produktionen ihn vor ganz andere Herausforderungen. Welche Materialien sind kindgerecht, wie sensibel muss man mit Licht und Lautstärke umgehen? „Man muss den Raum ganz anders denken“, erklärt Karr. Der Konzeptionsprozess finde dabei stets im Dialog statt. Von der großen Ebene arbeite man sich an das konkrete heran, erklärt Köhler.

In Bietigheim-Bissingen sind beide noch immer verwurzelt und regelmäßig zu Gast. Für Köhler schloss sich dabei unlängst ein Kreis: Vor zwei Wochen bei einer Premiere an der Stuttgarter Staatsoper traf er seine ehemalige Kunstlehrerin wieder.

 
 
- Anzeige -