Klimaschutz: Interview mit Klimaschutzmanagerin Julia Neuhäuser „Es muss noch mehr passieren“

Von Mathias Schmid
Das „Solar Heat Grid“ im Süden Ludwigsburgs ist laut eigenen Angaben die größte Freiflächen-Solarthermie-Anlage Deutschlands. ⇥ Foto: Martin Kalb

Julia Neuhäuser, Klimaschutzmanagerin im Landkreis Ludwigsburg, berichtet über Fortschritte und Nachholbedarf in den Kommunen.

Bis 2050 will der Landkreis Ludwigsburg klimaneutral sein: Heißt: Von rund zehn auf weniger als zwei Tonnen CO2 pro Person und Jahr. Ende 2015 beschloss der Kreistag auch deshalb das Kreisklimaschutzkonzept. Julia Neuhäuser, verantwortliche Klimaschutzmanagerin des Kreises, berichtet im BZ-Interview, wie es vorangeht.

Welche Fortschritte haben die Kommunen seit 2015 gemacht?

Julia Neuhäuser: Es hat sich einiges getan: Es wurden neue Stellen für Klimaschutzmanager geschaffen, zum Beispiel in Freiberg, Ditzingen und Steinheim oder Verwaltungsmitarbeitende mit den Themen beauftragt. Auch der Energieagentur Kreis Ludwigsburg (LEA, die Red.) sind seit 2015 viele Kommunen beigetreten. Das Thema Klimaschutz ist dadurch in vielen Kommunen und ihren Verwaltungen angekommen. Das ist der strukturelle Punkt. Inhaltlich wurden kleinere und größere Projekte umgesetzt: Es wurde viel im Bereich der kommunalen Liegenschaften und Gebäude in Angriff genommen, zum Beispiel beim Energiemanagement und der Installation von Photovoltaik-Anlagen. Außerdem wurden erste Quartierskonzepte und entsprechendes Sanierungsmanagement angestoßen.

"Wir brauchen eine ganzheitliche Betrachtung der Mobilität"

Ist der Kreis bis 2050 klimaneutral?

Wenn wir ambitioniert weitermachen, bin ich optimistisch. Trotzdem bleibt es eine Herausforderung. Wir bringen unsere CO2-Bilanz momentan auf den neuesten Stand. Wenn der bisherige Trend so fortschreitet, werden wir unser Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 nicht erreichen. Da muss also noch mehr passieren.

In welchen Bereichen vor allem?

Auf jeden Fall im Bereich Mobilität. Der Verkehrssektor ist und bleibt ein Emissionstreiber. Wir brauchen hier eine ganzheitliche Betrachtung aller Mobilitätsformen, die die Klimaschutzziele fest im Blick hat. Daneben besteht insbesondere bei der Wärmeversorgung Handlungsbedarf. Stand jetzt ist das Thema Wärmewende noch nicht in der allgemeinen Aufmerksamkeit angekommen. Gerade unter dem Begriff Energiewende wird oft nur die Stromwende verstanden. Den Energiebedarf für die Wärmebereitstellung erst zu reduzieren und dann klimaneutral zu decken, müssen wir jedoch dringend angehen.

Wo haben die Kommunen noch Nachholbedarf?

Wenn man in den Kommunalverwaltungen eine Person hat, die für Klimaschutz zuständig ist, ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Trotzdem müssen Klimaschutzbemühungen in alle Bereiche der Verwaltung integriert und dort verstetigt werden.

"Kommunikation fällt oft hinten runter"

Wie steht es um die Aufklärung bei den Bürgern?

Dort, wo es direkte Ansprechpersonen in den Kommunen gibt, wird eine viel direktere Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern möglich – darüber was jeder Einzelne tun kann und was es für Möglichkeiten gibt. In den anderen Kommunen fällt die Kommunikation oft etwas hinten runter. Dabei ist sie so wichtig. Ich würde auch sagen, dass wir dort als Landkreis noch mehr machen können, denn im privaten Bereich liegt viel Potenzial.

Lesen Sie hier: Wieso beschäftigt gerade Asperg einen eigenen Klimamanager?

Gibt es Kommunen, die beim Klimaschutz hervorstechen?

Ein gutes Beispiel ist Sachsenheim, das sich erfolgreich als Modellkommune im Kompetenznetz Klima Mobil beworben hat. Das Thema nachhaltige Mobilität ist, wie gesagt, eine Aufgabe, die zukünftig sehr wichtig sein wird. Deshalb ist es auch toll, dass Asperg für die Teilnahme beim Fußverkehrscheck ausgewählt wurde und bei der Umsetzung gleich digitale Beteiligungsformate nutzt. Und herausragend beim Thema Wärmewende ist natürlich das Projekt „Solar Heat Grid“ der Städte Ludwigsburg und Kornwestheim. Das ist auch ein eindrucksvolles Beispiel, wie Klimaschutz gemarkungsübergreifend funktionieren kann und muss.

Wo ist der Landkreis beim Thema Klimaschutz derzeit aktiv?

Zum einen treiben wir die Vernetzung zwischen den Kommunen und mit der LEA voran. Zudem haben wir in den letzten Jahren viel im Bereich der eigenen Liegenschaften getan. Unser zentraler Fuhrpark wurde nahezu komplett auf E-Mobilität umgestellt. Dazu haben wir Photovoltaik auf unseren Liegenschaften installiert. Um unsere Klimaschutz-Arbeit besser zu strukturieren, sind wir beim European Energy Award dabei. So können wir bewerten, auf welchem Stand wir sind und neue Maßnahmen identifizieren. Im vergangenen Jahr hat sich zudem viel im Bereich Umweltbildung getan: Mit der LEA haben wir ein neues Schulprogramm erarbeitet. Es ist kostenfrei verfügbar, da Landkreis und Land die Umsetzung finanziell fördern. Im März bekommen wir außerdem eine neue Kollegin für den Bereich Klimabildung, die Energiesparprojekte in pädagogischen Einrichtungen umsetzen wird. Außerdem haben wir einiges gemacht, um den Radverkehr zu fördern: zum Beispiel das Stadtradeln, den Rad-Check im Landratsamt vergangenen September oder die Rad-Service-Punkte in verschiedenen Kommunen.

Wo sind wir Klimasünder? Bei der Industrie?

Nein, da stehen wir im Vergleich gar nicht so schlecht da.

Aber die reine Masse an Industrie schlägt doch zu Buche?

Das stimmt. Wir sehen durchaus Möglichkeiten, das Thema Klimaschutz noch mehr in die Unternehmen hineinzubringen. Dazu dient auch das neue Programm Klimafit des Umweltministeriums und des Landkreises. Dabei geht es darum, mit Unternehmen eine Energie- und Treibhausgasbilanz zu erstellen und auszuwerten. Das könnte in Zukunft auch besonders interessant sein wegen der neuen CO2-Bepreisung, denn so wird der Energieverbrauch verstärkt zur Kostenfrage.

Info: Im Klimaschutzkonzept des Kreises gibt es für jede Kommune Empfehlungen zum Klimaschutz. Die BZ nimmt in ihrer Printausgabe vom 2. März 2021 einige Kommunen genauer unter die Lupe.

 
 
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