Ulrich Gräf aus Freudental „Ein Grabstein hat so viel zu sagen“

Von Gabriele Szczegulski
Ulrich Gräf an seinen Schreibtisch in seinem Haus in Freudental. Er kaufte eigens einen großen Bildschirm, um die Seiten für das Templerbuch gestalten zu können. Foto: /Oliver Bürkle

Der gelernte Steinmetz und Architekt sowie Gebietsreferent für das Landesdenkmalamt, Ulrich Gräf, hat in Israel die Templer-Friedhöfe durchforscht und daraus zwei Bände mit Informationen gemacht.

Wenn der Oberbaudirektor im Ruhestand, Ulrich Gräf aus Freudental, irgendwo ist, im In- oder Ausland, dann interessieren ihn auch die Friedhöfe. „Ein Grabstein hat so viel zu sagen“, sagt der 77-jährige gelernte Steinmetz und studierte Architekt, der 15 Jahre lang für das Amt für Denkmalpflege Baden-Württemberg für den Kreis Ludwigsburg zuständig war. „Nicht nur die Lebensdaten eines Menschen sind darauf verzeichnet, anhand der Art, wie der Grabstein gestaltet ist, kann man viele Informationen über die Zeit, in der er aufgestellt wurde, erfahren“, so Gräf.

So ging es dem Freudentaler auch in Israel. Das Land besuchte er mehrmals, auch gemeinsam mit dem ehemaligen und mittlerweile verstorbenen Leiter des Pädagogisch-Kulturellen Centrums Ehemalige Synagoge, Ludwig Bez.

Friedhöfe der schwäbischen Templer

Bei seiner ersten Reise wurde ihm empfohlen, die Friedhöfe der schwäbischen Templer in Haifa oder Jerusalem zu besuchen. „Die ließen mich nicht mehr los, vor allem, weil sie dem Verfall ausgesetzt sind und ich als Denkmalschützer zumindest die Informationen für die Nachwelt erhalten wollte“, so Gräf. Zudem fand der Geschichtsinteressierte spannend, dass viele Templer, die in Israel begraben sind, aus Württemberg, ja aus dem heutigen Kreis Ludwigsburg stammen, da die Templergesellschaft ja auch in Ludwigsburg gegründet wurde.

In Jacob Eisler, der bis 2002 Assistent des israelischen Historikers Professor Alex Carmel war, fand Gräf einen Gleichgesinnten. Eislers ehemaliger Chef Carmel war ausgewiesener Kenner der Spuren deutscher Templer in Israel. Eisler ist mittlerweile Mitarbeiter des Landeskirchlichen Archivs in Stuttgart. Gräf kannte den Geschichtsforscher schon von früheren gemeinsamen Projekten.

Gräf und Eisler taten sich zusammen, erforschten an die 1000 Templer-Gräber und dokumentierten alle Informationen in zwei Bänden (die BZ berichtete). Jedes der Gräber wurde aufgelistet, Eisler sorgte für weitergehende Informationen aus der Sammlung Carmels und dem Landeskirchlichen Archiv über die einzelnen Familien und deren Tätigkeiten. Ulrich Gräf war für die Gestaltung der Beiträge und Zusammensetzung der Informationen zuständig und brachte das Wissen über die Grabsteingestaltung ein. Zudem strukturierte er die beiden Bände – einer über den Templerfriedhof in Haifa, der andere über Jerusalem – so, dass mehrere Suchkriterien erfüllt sind. „Ich machte genaue Friedhofspläne, anhand deren man die Familiengräber findet“, so Gräf.

Nicht nur Denkmalpflege, sondern Familienforschung

Eine Auflistung aller Namen der Toten sowie deren Herkunftsorte eröffnet eine andere Suchabfrage. „Das Buch kann so die genealogische Geschichte darstellen, die hinter den Personen steht“, so Gräf. „Ich sehe das nicht nur als Denkmalpflege an, um die Grabmäler aufgrund der wichtigen Geschichte zu erhalten, sondern auch als Familienforschung.“ Er selbst half zwar auch bei der Erhaltung und Restaurierung einiger Gräber, aber: „Sie werden irgendwann verfallen.“ Sein Ziel sei es, das Wissen über die württembergischen Templer und ihre Leistungen in Israel zu erhalten.

Zwei Jahre dauerte alleine die Erstellung der 780 Seiten dicken Wälzer, deren Inhalte jedoch aufgrund der kurzen und kurzweiligen Darstellung mit vielen Fotos und Grafiken zur Geschichte der Templerfamilien durchaus einen unterhaltsamen Faktor haben.

Hochzeitsfotos, Familienporträts, Landschaftsbilder und kleine und größere Geschichten aus dem Leben der Templer trugen die beiden Forscher zusammen. „Es ist quasi ein Who’s who der Templer aus dem Mittleren Neckarraum“, so Gräf, denn die Familien kamen aus Hohenhaslach, Sersheim, Sachsenheim, Großingersheim, Besigheim oder Güglingen. Deren Nachfahren, die vor allem in Australien leben, sind an dem Doppelband über ihre Urgroßväter und -mütter sehr interessiert, sagt Gräf. Gräf durchpflügte alte Karten und Zeitschriften des 19. Jahrhunderts, befasste sich mit Grabsteinkunst – als Steinmetz sein Metier. „Das ist meine Leidenschaft, die akribische Suche“, sagt der Freudentaler.

Gräf, der Mitglied des PKC war, sich im Förderverein der Kirchenmusik des Kirchenbezirks Besigheim engagiert, Orgelfahrten organisierte und mit Klarinettist Giora Feidman eine Woche lang zu besonderen Kirchen fuhr, in denen Feidman auftrat, engagiert sich viel. „Doch ich werde künftig kürzer treten“, sagt der gebürtige Freudentaler.

Verbindung durch den Berug des Steinmetzes

Nur ein neues Projekt hat er schon in Mache: Er will die Arbeiten des Architekten und Vermessungstechnikers Theodor Sandel aus Heilbronn in Palästina dokumentieren. „Sandel war wie ich zuerst Steinmetz, das verbindet“, so Gräf. Sandel war Mitglied der Templergesellschaft, wanderte 1871 nach seiner Ausbildung nach Jaffa aus. Zuvor wohnte die Familie Sandel im Kirschenhardthof bei Marbach, dem Sitz der Templer. Im Auftrag Plato von Ustinow, Vorfahr des Schauspielers Sir Peter Ustinov, kartografierte er erstmals die Stadt Jaffa und das Sumpfgebiet des Wadi Musrara.

Als Bürgermeister der Templer-Siedlung in Jerusalem empfing ihn Kaiser Wilhelm II. im Rahmen seiner Palästinareise zu einer Audienz am 28. Oktober 1898 in Jaffa.

Architektur in Palästina beeinflusst

„Sandel baute eine Menge Gebäude in Palästina und beeinflusste dort die örtliche Architektur bis heute; heute weiß das kaum noch jemand, das will ich ändern“, sagt Gräf. Nicht nur die Templersiedlungen in Haifa, Jaffa und Sarona baute Sandel, auch die Eisenbahn nach Jerusalem plante er, baute in Gaza Missionsstation und Hospiz, das Diakonissenkrankenhaus in Jerusalem und andere Krankenhäuser sowie mehrere Kirchen und Hotels in Palästina. „Er hat zehn Grabsteine gefertigt für Templer, dadurch bin ich auf ihn gestoßen“, sagt Gräf. Die Geschichte der württembergischen Templer lässt den Freudentaler also nicht los.

 
 
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