Verkehrswende in der Region Fahrradfahrer im Kreis weiter unzufrieden

Von Bigna Fink
„Macht Radfahren in deiner Stadt Spaß oder ist es Stress?“ ist die Grundfrage des Fahrradklimatests. Der ADFC schlussfolgert aus der steigenden Beteiligung an seiner Umfrage: „Immer mehr Menschen ist das Radfahren wichtig.“ In der Großsachsenheimer Innenstadt (Bild) bedeutet Radeln wohl eher noch Stress. Foto: /Martin Kalb

Bietigheim-Bissingen relativ weit vorne, Sachsenheim weit hinten: Hunderte Menschen haben beim ADFC-Fahrradklima-Test die Radstrecken und -Infrastruktur in den Kommunen der Region bewertet. Die Ergebnisse sind ernüchternd.

Besonders eine Kommune in der Region sieht bei dem großen Stimmungsbarometer wie schon die Tests zuvor im deutschlandweiten Vergleich ziemlich alt aus: Sachsenheim. Bietigheim-Bissingen schneidet wieder relativ gut ab, allerdings mit einer mittelmäßigen Schulnote von 3,4.

Der Reihe nach: Die größte Befragung zur Zufriedenheit von Fahrradfahrern ist seit Ende April ausgewertet, alle zwei Jahre macht sie der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC). Die Umfrage, die vom Bundesverkehrsministerium finanziert wird, fand 2022 zum zehnten Mal statt. Es haben laut ADFC, der größten Interessensvertretung für Radfahrer weltweit, so viele Menschen wie nie abgestimmt. In Baden-Württemberg haben über 30 000 Radfahrer teilgenommen. Es ist keine repräsentative Befragung. Interessierte, in der Mehrzahl täglich radelnde Personen füllen die Online-Umfrage freiwillig aus.

Schlechte Noten landesweit

Die Bewertungen zu Fahrradwegen, Streckenführung, Abstellanlagen und Co sind in ganz Deutschland mit einer durchschnittlichen Zufriedenheit in Höhe der Schulnote 3,96 sehr ernüchternd. Die Fahrradfreundlichkeit hat im Bundesgebiet seit 2014 „weiter leicht abgenommen und ist nur ausreichend“, schreibt der Verkehrsclub.

Schauen wir uns unsere Kommunen im Einzugsgebiet der Bietigheimer Zeitung genauer an: Mit einer Mindestteilnehmerzahl von 50 Menschen sind acht Kleinstädte unter 20 000 Einwohner im Landkreis beim Fahrrad-Klimatest dabei, wobei Besigheim mit einer Gesamtwertung von 4,1, Markgröningen mit 4,3 und Sachsenheim ebenfalls mit 4,3 schlecht abschneiden. Steinheim an der Murr ist in dem Größenbereich noch das Sieger-Fahrradstädtle im Kreis mit einer Note von 3,7. Die Kreisstadt Ludwigsburg erreicht in der Kategorie 50 000 bis 100 000 Einwohner den Platz 14 von 113 Orten.

Bietigheim-Bissingen stagniert

Über das relativ gute Abschneiden bei der Zufriedenheit der Radfahrer kann sich Bietigheim-Bissingen ein wenig freuen: In der Ortsgrößenklasse 20 000 bis 50 000 Einwohner steht die Stadt an der Enz mit Rang 23 von 447 Orten relativ gut da. 2020 war die Kommune noch auf Rang 32 von 415 Orten. Anette Hochmuth, Pressesprecherin der Stadt, sieht bezüglich der Schulnote 3,4 bei der Gesamtbewertung „noch einigen Handlungsbedarf“. Die Zufriedenheit stagniert im Vergleich zu 2020 und hat sich seit 2014 (Schulnote 3,1) bis 2022 gar verschlechtert

„Unser Mobilitätsplan ist ein großer Maßnahmenplan bezüglich des Radverkehrs“, sagt Hochmuth. Dabei würden im Stadtentwicklungsamt Schritt für Schritt Verbesserungen für die Radfahrer umgesetzt. „So wollen wir etwa die vorhandenen Zweirichtungsradwege auflösen“, informiert die Pressesprecherin, „weil hier die Radfahrer potenziell eher gefährdet sind.“ Hierzu strebt die Stadt an, mehr Rad- und Schutzstreifen auf den Straßen auszuweisen wie etwa am Gröninger Weg in Wohngebiet Bietigheim-Buch.

„Diese Straßenmarkierungen für Radfahrer sehen wir momentan als sicherste Variante, weil so die Autofahrer die Fahrradfahrer im Blick haben“, sagt Hochmuth. Parkende Kraftfahrzeuge zwischen Straße und Radweg können dazu führen, dass Radfahrer von abbiegenden Autofahrern übersehen werden.

Anstatt des Zweirichtungsradweges in der Gustav-Rau-Straße soll etwa im Herbst ein Radstreifen auf die Fahrbahn kommen, falls der Gemeinderat am 9. Mai zustimmt und der Bescheid für die Fördermittel des Landes vorliegt, so Hochmuth. Auch soll die Überquerung des Radwegs in der Talstraße zum Radweg an der B 27 Richtung Kammgarnspinnerei, sprich die Abbiegesituation für die Radfahrer dort, sicherer gestaltet werden.

Sachsenheim will aufholen

„Da ist noch sehr viel Luft nach oben. Wir sind mit allen Kräften dabei, die Fahrradfreundlichkeit in der Stadt zu verbessern“, sagt Michael Ilk, Leiter der Abteilung Stadtentwicklung und Nachhaltigkeit in Sachsenheim zum schlechten Ergebnis des Fahrradklimatests für die Kommune.

In seiner Abteilung arbeitet ein zweiköpfiges Fahrradteam, außerdem setzt sich die seit April amtierende Klimaschutzmanagerin der Stadt, Florina Wolf, für bessere Fahrradwege ein. Die Stadt schnitt 2020 mit der Note 4,4 noch etwas schlechter ab als diesmal. Der Unmut der Radfahrer in Sachsenheim ist deutlich: Mit einer Gesamtbewertung von 4,3 sind sie mit der Situation der Fahrradwege und -infrastruktur ziemlich unzufrieden. Nur sechs von 92 Kommunen in der Größenordnung unter 20 000 Einwohner in Baden-Württemberg kommen negativer bei Radfahrern weg.

Aktuell werde an einem grundsätzlichen Radwegeverbindungsnetz geplant, so Pressesprecher Arved Oestringer. Durch für die Bevölkerung und die Natur verträgliche, also weniger invasive Eingriffe sollen Verbindungen für Radfahrer zwischen den Ortsteilen und den Nachbarkommunen hergestellt werden.

Über den lange in Diskussion stehenden Radweg zwischen Häfnerhaslach und Kirbachhof beriet der Gemeinderat am Donnerstagabend. „Außerdem planen wir für die Sachsenheimer eine Sonderveranstaltung zum Thema Radwege, die Ende Mai oder im Juni stattfinden soll “, verrät Oestringer.

Was macht die Gewinnerkommune Baunatal besser?

Wie muss Radfahren im Alltag sein,
damit möglichst viele sich sicher fühlen und Spaß am Radeln haben? „Diese Frage stellen wir uns seit 15 Jahren“, sagt Susanne Bräutigam , Pressesprecherin von Baunatal. Zum dritten Mal ist die nordhessische Kommune beim Fahrradklimatest fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands in der Größenordnung 20 000 bis 50 000 Einwohner.

Ein Erfolgsrezept sieht Bräutigam in der „Radprojektgruppe Baunatal, in der 20 Bürger für Bürger planen.“ In Zusammenarbeit mit der Stadt sammeln sie „zahlreiche Anregungen zur Verbesserung der Fahrradwege“. Der daraus resultierende Maßnahmenkatalog werde Stück für Stück umgesetzt. „Im Fokus der Radverkehrsförderung in Baunatal stehen die Verkehrssicherheit, eine überörtliche Vernetzung und die Barrierefreiheit“, sagt Bräutigam.

Insgesamt wendet Baunatal 50 000 bis 100 000 Euro für Investitionen für den Radverkehr sowie rund 15 000 bis 20 000 Euro für Sanierungen auf. Wieviel Geld Sachsenheim und Bietigheim--Bissingen in etwa pro Jahr für den Radverkehr in die Hand nehmen, konnten die Verwaltungen der BZ nicht sagen. Mit der Note 2,5 beim Fahrradklimatest gibt es aber offenbar auch im Baunatal noch Verbesserungspotenzial. bfi

 
 
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