Walheim/Gemmrigheim „Wir wollen die Menschen wachrütteln“

Von Jürgen Kunz
Das Gelände des Kohlekraftwerks am Neckar in Walheim. Geht es nach den Plänen der EnBW, soll dort eine Klärschlamm-Verbrennungsanlage entstehen. Foto: /Martin Kalb

Seit knapp drei Jahren gibt es die Initiative„Wir im Neckartal“. Ziel der rund 25 Aktiven mit ihren Sprechern Matthias Appelt und Rudi Ringwald ist es, die Klärschlammverbrennung in Walheim zu verhindern.

Wir versuchen mit unseren Mitteln, den betroffenen Menschen eine Stimme und Hilfestellungen für ihre Einwendungen zu geben“, sagt der Walheimer Matthias Appelt. Als einer der Sprecher der Bürgerinitiative (BI) „Wir im Neckartal“ sammelt und kommuniziert er mit rund 25 aktiven Mitstreitern und etlichen Unterstützern seit zweidreiviertel Jahren Argumente gegen die von der EnBW geplante Klärschlamm-Verbrennungsanlage auf dem Gelände des Walheimer Kohlekraftwerks. Doch die Zeit wird knapp, noch bis 26. Februar können Betroffene die Antragsunterlagen der EnBW in den Rathäusern Walheim und Gemmrigheim oder online (uvp-verbund.de/BW, Suchbegriff „Walheim“) einsehen und bis Dienstag, 26. März, ihre Einwendungen einreichen.

Harsche Kritik am Verfahren

„Wir können als BI gegen einen solchen Giganten (die ENBW, Anmerkung der Redaktion) nicht bestehen“, schätzt Appelt realistisch die Möglichkeiten der BI „Wir im Neckartal“ ein. „Die Bevölkerung wird in der Zukunft eine Belastung erleben, die sie sich heute noch gar nicht vorstellen kann“, malt BI-Sprecher Rudi Ringwald (Gemmrigheim) im Gespräch mit der BZ ein düsteres Bild – und er bemängelt, dass „etablierte demokratische Beschlüsse und Prozesse im Interesse der Sache, die hier geplant ist, außer Kraft gesetzt worden sind“. Bei aller realistischer Einschätzung der BI, dass „es relativ aussichtslos ist“, gegen die Umsetzung der EnBW-Planungen Erfolg zu haben, treibt die Aktiven der Anspruch an, „auch ein Mahnmal zu setzen: Wir haben es deutlich gemacht – wie könnt ihr nur“.

„Schön wäre es, und das erträumen wir uns natürlich, wenn durch die Einwendungen, die jetzt kommen, doch festgestellt wird, dass dieser Weg nicht geht“, sagt Ringwald. Mit einem mehrseitigen Flyer, in dem die BI ihre Argumente gegen die geplante Anlage verdeutlicht, und der in diesen Tagen in Walheim, Gemmrigheim, Besigheim, Kirchheim und Bietigheim-Bissingen verteilt wird, sollen Betroffene dazu bewegt werden, Einwende gegen die Klärschlamm-Verbrennungsanlage einzureichen.

Info-Abend für Betroffene

Zwei Info-Abende unter dem Titel „Wie formuliere ich meine Einwendung“ veranstaltet die BI am Donnerstag, 29. Februar, um 19 Uhr im Gasthaus „Zur Post“ in Walheim und am Donnerstag, 7. März, um 19 Uhr im Restaurant der Wasenhalle in Gemmrigheim. „Wir wollen die Leute wachrütteln und sagen: Es ist uns ernst“, betont Appelt, der die Arbeit der BI auch darin sieht, sich auf den Erörterungstermin am 14. Mai in der Walheimer Gemeindehalle vorzubereiten. Dazu werden die Aktiven auch juristische und gutachterliche Unterstützung von außen in Anspruch nehmen, deren Kosten über Spenden finanziert werden.

In den letzten knapp drei Jahren habe die BI ihre Recherchen gemacht und habe durchgehalten. „Das ist schon außergewöhnlich für eine kleine Bürgerinitiative“, betont Appelt. Die Luftbelastung im Neckartal durch eine Klärschlamm-Verbrennungsanlage ist ein Punkt, den die BI kritisiert. Natürlich seien Filteranlagen nach dem heutigen Stand der Technik vorgesehen. „Aber wir haben auch beim Kohlekraftwerk gesehen, wie oft die Filteranlagen erweitert werden mussten“, gibt Ringwald zu bedenken.

Zusätzliche Verkehrsbelastung

Besonders die zu erwartende zusätzliche Verkehrsbelastung ist für die Anlagengegner ein Argument gegen die Klärschlammverbrennung auf dem EnBW-Gelände. „Jährlich 180 000 Tonnen Klärschlamm nach Walheim zu bringen, ist ökologischer Wahnsinn“, sagt Appelt. Wie die BI erklärt, erhöhen 120 Schwerlast-Lkw-Fahrten zur Klärschlamm-Anlieferung und Asche-Entsorgung sowie weitere 30 Silo-Lkw-Fahrten zur Brüdenwasser-Entsorgung in der Kläranlage Bietigheim – über das Wohngebiet Sand – die „ohnehin schon enorme Verkehrs- und Lärmbelastung, insbesondere auf der B 27“. Die vorhandenen Transportwege über die Schiffsanlegestelle am Neckar und der Schienenanschluss auf dem Betriebsgeländen blieben, so die BI, ungenutzt.

Die Phosphor-Rückgewinnung aus der Klärschlammasche würde von der EnBW propagiert, allerdings gebe es dafür noch kein großtechnisches Verfahren, bemängelt die BI. Nach Einschätzung der Gegner sei die Energiegewinnung „nur ein Nebenprodukt des Betriebs und vergleichsweise gering“. So fehle ein nachhaltiges und umsetzbares Wärmenutzungskonzept. Die EnBW werbe mit Restwärme für 300 Haushalte. Die Abgabe in bestehende Wärmenetze sei jedoch nicht möglich oder unrentabel, argumentiert die BI: „Die Freisetzung der Restwärme erfolgt deshalb in die Umgebungsluft, deren Erwärmung wird billigend in Kauf genommen.“

Widerspruch zum Regionalplan

Das EnBW-Gelände in Walheim ist im Regionalplan als Vorranggebiet für regional bedeutsame Kraftwerke ausgewiesen. „Selbst wenn ,interlokal’ wenige Haushalte angebunden werden könnten, ist die Anlage zur Trocknung und Verbrennung von Klärschlamm niemals ein regional bedeutsamer Kraftwerksbetrieb“, argumentiert die BI, und das Gelände sei weder im Regionalplan noch im Flächennutzungsplan des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) Besigheim für Abfallverwertung vorgesehen. „Mit einem Zielabweichungsverfahren versucht nun die EnBW erneut, die Planungsbehörde zu veranlassen, die Planungshoheit und bisherigen Festlegungen der Verbands Region Stuttgart (VRS) und des GVV außer Kraft zu setzen und die Missachtung langjährig geltender Regeln zu ratifizieren“, kritisierten die Gegner.

 
 
- Anzeige -