Walheim/Kirchheim Massive Kritik an Beschlussvorlage

Von Jürgen Kunz
Der Planungsausschuss des Verbands Region Stuttgart entscheidet an diesem Mittwoch darüber,  ob durch ein Zielabweichungsverfahren auf dem bisherigen Kohlekraftwerkstandort in Walheim eine Klärschlamm-Verbrennungsanlage entstehen kann. Foto: /Martin Kalb

Die Bürgerinitiative „B 27 raus aus Kirchheim“ fordert den VRS-Planungsausschuss auf in seiner Sitzung an diesem Mittwoch dem Zielabweichungsverfahren zur Klärschlamm-Verbrennungsanlage nicht zuzustimmen.

In seiner 48. Sitzung an diesem Mittwochnachmittag beschäftigt sich der Planungsausschuss des Verbands Region Stuttgart (VRS) mit dem Zielabweichungsverfahren für das geplante „Klärschlamm-Heizkraftwerk“ in Walheim, wie es in der Sitzungsvorlage heißt. In der Einschätzung der Verbandsverwaltung heißt es abschließend „die Zulassung einer Zielabweichung von der Vorrangfunktion ist damit aus regionalplanerischer Sicht insgesamt vertretbar“ und empfiehlt den 32 Planungsausschussmitgliedern im Beschlussvorschlag: „Gegen die Zulassung einer Zielabweichung in Bezug auf den im Regionalplan als Vorranggebiet für regionalbedeutsame Kraftwerksanlagen festgelegten Kraftwerksstandort Walheim zugunsten des dort geplanten Klärschlamm-Heizkraftwerks bestehen aus regionalplanerischer Sicht keine Bedenken.“

BI: Gefälligkeitsentscheidung

„Dieser Beschlussvorschlag kann nur als Gefälligkeitsentscheidung zugunsten der EnBW AG interpretiert werden“, schreiben die Vorstände der Kirchheimer Bürgerinitiative „B 27 raus aus Kirchheim“ (BI), Rolf Riecker und Michael Fein, in einem Brief an die Mitglieder des VRS, den sie „aufgrund der Eilbedürftigkeit“ per E-Mail am Montagabend verschickt haben. Nach Einschätzung der BI basiere die vorliegende Beschlussvorlage „auf unklaren und nicht nachvollziehbaren Beschreibungen“ im Sachvortrag. Es bleibe unklar, welche Prüfungen die Verbandsverwaltung im Einzelnen durchgeführt hat, um zu dem Schluss zu kommen, dass aus regionalplanerischer Sicht keine Bedenken gegen die Zulassung einer Zielabweichung für „eine Müllverbrennungsanlage bestehen, die irreführend als Klärschlamm-Heizkraftwerk“ bezeichnet wird.

In der Beschlussvorlage zur Verwaltungsausschuss-Sitzung erläutert die VRS-Verwaltung, das Regierungspräsidium weise darauf hin, dass der Standort des geplanten Klärschlamm-Heizkraftwerks (KHKW) vollständig innerhalb eines Vorranggebiets für Standorte regionalbedeutsamer Kraftwerksanlagen des Regionalplans liegt. Aufgrund der im Vergleich zum regionalen Energiebedarf geringen Energieausbeute des geplanten KHKW kann die geplante Anlage nicht als regionalbedeutsames Kraftwerk eingestuft werden, heißt es in der regionalplanerischen Bewertung. Auch wenn im Zuge der Energiewende eine Diversifizierung und Dezentralisierung der Energieerzeugung geboten erscheine, entspricht das geplante Klärschlamm-Heizkraftwerk damit nicht der Vorrangfunktion des im Regionalplan festgelegten Kraftwerkstandortes. Im Rahmen einer Zielabweichung sei die Frage zu prüfen, inwieweit die Funktion des Vorranggebietes als Kraftwerksstandort beziehungsweise Standortreserve bei Realisierung des geplanten KHKW erhalten bleibt und damit die Grundzüge der Planung unberührt bleiben.

Keine Alternativflächen in der Region

Wie es in der Sitzungsvorlage weiter heißt, sei vor dem Hintergrund der Notwendigkeit zusätzlicher Verwertungs- beziehungsweise Entsorgungsmöglichkeiten für Klärschlämme darüber hinaus zu berücksichtigen, dass es sich bei dem jetzt vorgesehenen Standort um einen durch Kraftwerksanlagen industriell vorgeprägten Standort handelt, an dem die Realisierung entsprechender Entsorgungs- und Verwertungskapazitäten über die Konversion nicht mehr benötigter Betriebsflächen und, aufgrund der Mit- und Weiternutzung vorhandener Infrastruktur, auch flächeneffizient und flächensparend erfolgen könne. Damit könne gleichzeitig erreicht werden, dass Eingriffe in bisher unbelastete Freiflächen vermieden werden könnten. Vergleichbar geeignete und verfügbare Alternativflächen sind zumindest in der Region Stuttgart nicht offensichtlich erkennbar, so VRS-Verwaltung.

Keine Rücksicht auf Anwohner

„Es scheint, als hätte sich die Verbandsverwaltung nicht mit den erheblichen Mängeln der Antragsunterlagen der Antragsstellerin auseinandergesetzt und keinerlei Rücksicht auf die betroffenen Anwohner im Umfeld der Müllverbrennungsanlage genommen“, schreibt die Bürgerinitiative dazu. Im Sachvortrag der Beschlussvorlage werde von Klärschlammverbrennungsanlagen gesprochen. Dabei gerieten die Eigenschaftszusicherungen der geplanten Anlage (Heizen, Energie erzeugen, Phosphor-Rückgewinnung) in den Hintergrund oder fänden nicht statt. Für die BI ist es weder verständlich noch nachvollziehbar, aus welchen Gründen bereits jetzt über das Zielabweichungsverfahren abgestimmt werden soll, obwohl das baurechtliche Genehmigungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist und darüber hinaus erhebliche Mängel in den Antragsunterlagen der Antragstellerin zu verzeichnen sind. Die beiden BI-Vorstände Rolf Riecker und Michael Fein fordern: „Wir, die Bürgerinitiative ,B 27 raus aus Kirchheim e.V.’, fordern die Mitglieder der Regionalversammlung nachdrücklich auf, dem Zielabweichungsverfahren für das geplante Klärschlamm Heizkraftwerk in Walheim, das tatsächlich eine Müllverbrennungsanlage ist, nicht zuzustimmen.“

BI „B 27 raus aus Kirchheim“ begründet die Ablehnung des Zielabweichungsverfahren

Die Kirchheimer Bürgerinitiative fordern die Mitglieder der Regionalversammlung nachdrücklich auf, dem Zielabweichungsverfahren für das geplante Klärschlamm Heizkraftwerk in Walheim, das tatsächlich eine Müllverbrennungsanlage ist, nicht zuzustimmen und begründet dies:

Das Klärschlamm-Heizkraftwerk sei tatsächlich eine Klärschlammverbrennungsanlage und müsse daher als Abfallentsorgungsanlage gemäß der EfbV eingestuft werden.

Die EnBW, als Antragsstellerin, besitze keine Betriebserlaubnis als Entsorgungsbetrieb. Ein Verweis auf ein Tochterunternehmen sei nicht zulässig. Das Tochterunternehmen sei nicht die Antragstellerin der geplanten Anlage.

Die Versorgung mit Heizenergie für ein Wohngebiet sei in den Antragsunterlagen nicht verbindlich und verbrieft dargestellt.

Die Gewinnung von Phosphor sei nicht vorgesehen und finde nicht statt, sondern die Asche soll in einem Salzbergwerk eingelagert werden.

Die Verkehrssituation sei völlig unzureichend beschrieben. Aus den Verkehrszählungen für den Lärmaktionsplan der Gemeinde Kirchheim im Jahr 2019 ist bekannt, dass über 21 500 Fahrzeuge täglich auf der B 27 in Kirchheim unterwegs sind. Der Schwerlastverkehrsanteil ist überdurchschnittlich hoch. Die angeblich vernachlässigbare zusätzliche Belastung durch LKW verkenne völlig die Problematik, die durch zusätzlich bis zu 120 große 40-Tonner-LKW an jedem Werktag verursacht werden. Die Verkehrsinfrastruktur der Bundesstraße 27 in Verbindung mit der B 27-Umgehung in Kirchheim werde in der Beschlussvorlage nicht behandelt. In den Planunterlagen der Gemeinde Kirchheim sowie beim Regierungspräsidium gibt es eine ältere Trassenführung der B 27, die entlang des Neckarverlaufs führt. Diese mögliche günstigere Alternative werde durch die Errichtung einer derartigen Anlage verhindert oder gar unmöglich.

Die bei allen Routen benutzte Kreuzung Autobahnzubringer Mundelsheim – B 27 an der Ecke Firma Herzog und Marktkauf sei für die Aufnahme zusätzlichen Schwerlastverkehrs nicht geeignet (Ergebnis einer Besprechung der BI Kirchheim mit dem Regierungspräsidium). Es bestünden aufgrund Platzmangels auch keinerlei Umbaumöglichkeiten.

Die Behandlung der Abwässer aus der Verbrennungsanlage (Brüdenwasser) sei völlig offen. Die Frage, ob nicht eine spezielle Kläranlage am Standort notwendig wäre, ist ebenfalls offen wurde bisher nicht diskutiert. Bei einer angedachten alternativen Entsorgung in der Kläranlage Heilbronn würden alle Fahrtrouten über Kirchheim führen, was zusätzlich bis zu 30 Schwer-LKW bedeute.

 
 
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