Walheim Stresstest: Feuerwehr gegen Gasleck

Von Helena Hadzic und Jennifer Stahl
Menschenleben retten steht bei der Feuerwehr an erster Stelle. Erst danach wird das Leck abgedichtet. Foto: /Richard Dannenmann

Defekte Dichtung sorgt für Ammoniak-Austritt, eine verletzte Person im Kraftwerk – kein Ernstfall, sondern eine Übung für die Feuerwehren Walheim und Asperg.

Es ist 19.03 Uhr am EnBW-Kraftwerk in Walheim – Jürgen Weigelt, Betriebsleiter des EnBW-Häuser Walheim, Marbach und Heilbronn, schaut gespannt auf seine Uhr. Noch ist weder etwas zu hören oder zu sehen. Doch dann: Der hohe, monotone Alarm der Einrichtung ertönt. Er schallt so laut durch den Hof, dass man ihn wahrscheinlich noch drei Ortschaften weiter hören kann. „Jetzt geht es los“, sagt Weigelt grinsend. Und plötzlich sieht man es auch – Rauch aus dem Keller der Einrichtung – denn aus einer undichten Stelle läuft Ammoniak aus, auch eine Person wird vermisst. Der Hauschef betont: „Nun zählt jede Minute.“

Die Entwarnung ist aber, dass es sich hiebei um eine Übung für die Feuerwehren Walheim und Asperg handelt, die mit insgesamt zehn Fahrzeugen, 28 Walheimern und 21 Aspergern nach fünf Minuten vor Ort waren. Die Leckage am Flansch ist durch die mechanische Abteilung von EnBW getürkt, der Rauch kommt aus einer Nebelmaschine der Walheimer Feuerwehr und die verletzte Person, die vermeintlich bewusstlos in der Ecke des Kellers liegt, tut eigentlich nur so. „Wir wollen uns stetig verbessern“, sagt der Kommandant und Einsatzleiter Marko Horwath von der Freiwilligen Feuerwehr Walheim später.

Aufeinander zählen können

Organisiert wurde die Simulation von Stephan Franz, Ingenieur für Genehmigungsmanagement, Umweltschutz und Arbeitssicherheit bei EnBW für die Standorte Walheim, Marbach und Heilbronn. „Etwa ein bis zwei Tage hat die Planung gebraucht“, erzählt der Ingenieur, der privat auch bei der Feuerwehr Öhringen ist. Alle drei Jahre wird eine Großübung durchgeführt, zwischendurch immer wieder kleinere. Die Schwerpunkte der Großübung am EnBW-Kraftwerk am Montagabend konzentrieren sich auf die Abdichtung des Lecks und auf die Rettung der verletzten Person. Auch, ob die Kommunikationsketten unter den Feuerwehren und beteiligten Funktionsträgern funktionieren, werde bei solchen Übungen immer wieder geprüft. „Es geht eben auch darum, dass man sich aufeinander verlassen kann“, sagt Horwath.

Drohnen im Einsatz

Auch ein Lage- und Informationsanhänger des Landkreises Ludwigsburg, beherbergt von der Walheimer Feuerwehr, ist vor Ort. Auf den beiden Bildschirmen werden die Bilder der Drohnen übertragen, die zum einen die Gesamtlage von oben zeigen und zum anderen das Innere des getürkten Tatorts, wo der Ammoniak austritt.

Bei mehreren Einsätzen wurde der Anhänger bereits gebraucht, wie etwa beim Hofmeister-Brand in Bietigheim-Bissingen, oder etwa bei der Entschärfung von Blindgängern in Großbottwar, das erzählt Lukas Tressl vom Bevölkerungsschutz des Landkreises Ludwigsburg. Auch er ist dabei, um zu prüfen, ob die Kommunikationsketten bei einem Störfall erster Klasse – wie etwa beim akuten Austreten gefährlicher Stoffe – funktionieren.

Bei einem solchen Störfall müssen alle Mitarbeiter, anders als bei einem Brandfall, im Gebäude bleiben. Die Fenster werden dicht gemacht, Türen versperrt, Mitarbeiter müssen sich beim Schichtleiter melden. „Das ist für die Sicherheit ausschlaggebend, sonst könnte jemand in eine Giftwolke laufen“, sagt Tressl.

Wie beispielsweise der im Keller liegende Simulant Thomas Jathe vom EnBW, der in dem Szenario bewusstlos ist und sich, wie Franz lachend erzählt, „besonders schwer macht“, um es den Feuerwehrmännern noch schwerer zu machen. Doch was hat eigentlich Vorrang: die Abdichtung des Lecks oder die Rettung der verletzten Person? „Ganz klar die Person – Menschen immer zuerst“, betont der Walheimer Einsatzleiter Horwath. Das verdeutlicht sich anhand der sogenannten „GAMS-Regel“, die eine Eselsbrücke für den Einsatzleiter darstellt: „GAMS teilt sich in Gefahr erkennen, absperren, Menschenrettung und schließlich Spezialkräfte nachfordern“, erklärt Horwath.

Der Verletzte wird gerettet

Und dann ist es soweit: Die Feuerwehrleute begeben sich, teils in Schutzanzügen, teils mit einer Trage bewaffnet in den Keller. Wenige Minuten später kommen sie mit dem vermeintlich verletzten Jathe zurück.

„Das hat sich in diesem Szenario einfach angeboten, denn eine verletzte Person auf der Trage durch enge Stellen und die Treppe hoch zu transportieren, ist alles andere als leicht“, erzählt Franz. Sobald Jathe „in Sicherheit ist“, steht er mit einem Grinsen im Gesicht von der Trage auf und läuft gesund und munter davon.

Später erhält Kommandant Horwath per Funk die Entwarnung: Um 20:06 Uhr, also knapp eine Stunde nach Alarm, ist die Leckage gedichtet und die Person gerettet worden. „Wir sind sehr zufrieden – das ist schließlich kein alltäglicher Einsatz und da wurde wirklich gut reagiert“, sagt Horwath. Doch auch wie bei einem echten Einsatz treten ab und zu unerwartete Ereignisse auf, wie Franz im Nachhinein erzählt: „Einer unserer EnBW-Mitarbeiter war per Telefon plötzlich nicht mehr zu erreichen“, sagt er.

Das Team habe sich Sorgen um den Vermissten gemacht – bis herauskam, dass er lediglich auf der Toilette gewesen und sein Handyakku leer war. „Bei solchen Übungseinsätzen ist einfach wichtig, Ruhe zu bewahren und auch wenn einmal etwas schiefgeht, sollte das Beste aus der Situation gemacht werden“, sagt Franz.

In einer Nachbesprechung kommen genau solche Punkte zur Sprache: „Es wird festgehalten, was gut gelaufen ist und was eher nicht. Daraus erstellen wir einen Maßnahmenplan, damit sich die Feuerwehr stets verbessern kann“, sagt Franz.

Auch in der Abschlussrede werden die Einsatzkräfte gelobt: „Der Gesamteindruck dieser Übung ist sehr positiv ausgefallen. Sie alle haben auch in einer nicht planbaren Situation gut reagiert und es hat sich zu keiner Zeit Panik ausgebreitet“, sagt Weigelt vor versammelter Mannschaft. Aber für Kommandant Horwarth war bereits vorher klar: „Mein Team schafft das.“

 
 
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