Wengerter-Serie Die Arbeit geht nie aus

Von Jürgen Kunz
Um den Boden nicht zu verdichten, verzichtet Jörg Reichert auf die Rebenpflanzung mit der Setzmaschine. Mehr als 40 Stunden waren nötig, um 800 Chardonnay-Reben zu pflanzen Foto: /Oliver Bürkle

Nachdem die Reben fertig geschnitten und gebogen sind, steht bei Jörg Reichert jetzt das Etikettieren und vor allem die Jungbestandspflege an.

Der Erligheimer Wengerter Jörg Reichert vom gleichnamigen Weingut nimmt die Leser der Bietigheimer, Sachsenheimer, Bönnigheimer Zeitung ein Jahr lang mit bei seiner Arbeit in den Weinbergen, im Keller, im Flaschenlager und spätestens im Juni in seiner neuen Vinothek. Zusätzlich zu den regelmäßigen Arbeiten eines Wengerter stellt Reichert zusammen mit seiner Familie das neue Firmengebäude in der Erligheimer Franz-Lutz-Straße im Gewerbegebiet fertig. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr war der Baubeginn. „In den nächsten fünf bis sechs Wochen“, so Reichert, soll das Projekt mit der Fertigstellung der Vinothek abgeschlossen werden. Auf einer Fläche von rund 450 Quadratmetern hat er dann moderne Räume für die Kelterhalle, den Keller und das Flaschenlager – und eben die Vinothek, eine Herzensangelegenheit des 38-Jährigen.

Die Reben sind fertig geschnitten und gebogen, damit geht die Arbeit des Wengerter im Keller weiter. Im März und April wurden die Weißweine und Roséweine des neuen Jahrgangs 2022 abgefüllt. Die Weine wurde zum Abfüllen vorbereitet und Cuvées zusammengestellt. Reichert: „Alle Weine gingen in die Weinanalyse und dann zur amtlichen Qualitätsprüfung.“ Nur so könne der Wein als „Deutscher Qualitätswein“ abgefüllt werden. „Die Bezeichnung und die amtliche Prüfnummer (A. P. Nummer) ist auf dem Weinetikett wiederzufinden und garantiert dem Verbraucher einen fehlerfreien Weingenuss“, merkt er an. Im Weingut Reichert wurden in diesem Jahr acht Weine neu abgefüllt: unter anderem die Sorten Grauburgunder, Weißburgunder, Chardonnay, Lemberger Weißherbst und Blanc de Noir. „Unser Blanc de Noir ist ein weißgekelteter Wein aus Schwarzriesling-Trauben“, so Reichert.

Besonders stolz ist der 38-jährige Wengerter auf seinen Grauburgunder, „ein Wein mit einer bemerkenswerten Vielschichtigkeit und Frucht“, betont er. Dieser trocken ausgebaute Grauburgunder stammt von einer relativ jungen Weinberganlage in der Katharinenplaisir, der Hochebene unterhalb des Cleebronner Michaelsberg. Für Reichert zeigt dieser Wein „im Glas seine goldgelbe Farbe, in der Nase entfaltet er ein würzige fruchtige Aromatik mit für den Wein typischen Aromen Birne, Trockenobst und Zitrusfrüchte“. Wein soll für Reichert im Fass reifen. Seine Philosophie: Lange auf der Vollhefe liegen lassen. „Wir lassen den Weinen viel Zeit, keinesfalls wird vor Weihnachten abgefüllt“, ergänzt er.

Nutzungsdauer: rund 40 Jahre

Drei Jahrzehnten standen auf dem Wengert von Jörg Reichert im Erligheimer Gewann „Sauloch“ Lemberger und Schwarzriesling. Vor zwei Jahren hat er dort gerodet, etwa ein Meter tief gebaggert und zunächst als Brache liegen gelassen. „So hatte der Boden Zeit sich zu erholen und mit der Saat von Leguminosen wurde Stickstoff im Boden eingetragen“, erklärt er. In diesem Wengert hat er sich für die Pflanzung mit der Hand entschieden. Zunächst wird bei der Neuanlage der Stockabstand (ein Meter) und die Breite der Rebzeile (1,95 Meter) bestimmt. Bei der Handpflanzung wird dann mit einer Wasserlanze das Pflanzloch ausgehoben und die Reben händisch eingesetzt. Reichert: „So kann die Bodenstruktur erhalten bleiben und die Reben wachsen sicher an.“

Für den Standort im „Sauloch“ hat der Erligheimer Wengerter 800 Chardonnay-Reben vom Klon San Michele SMA 108 gesetzt, die er in Südtirol bestellt hat. „Der Klon wurde nach der gewünschten Typizität, dem Charakter und dem gewünschten Ertrag ausgewählt“, so Reichert. Dieser Klon ergebe bei Vollertrag etwa 80 Liter pro Ar. Gesetzt wurde sogenannte Pfropfreben, dabei bestimmt der Unterlagsrebstock die Wüchsigkeit der Pflanze, auf den dann die edlere Rebsorte aufgesetzt wurde. „Die Kosten für eine Rebanlage steigen zurzeit extrem“, sagt Reichert, deshalb hat er für den neuen Wengert eine Nutzungsdauer von etwa 40 Jahre veranschlagt. Im nächsten Jahr rechnet er mit einem ersten Ertrag von etwa 20 bis Liter pro Ar, den ersten Vollertrag erwartet er im vierten Jahr.

 
 
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