Gebhard Fürst Bischof aus Bietigheim verabschiedet sich

Von Gabriele Szczegulski
23 Jahre lang war Gebhard Fürst Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart/Uwe Renz

Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Dr. Gebhard Fürst, wird am 2. Dezember aus seinem Amt verabschiedet. Die BZ hat mit dem gebürtigen Bietigheim-Bissinger über seine Amtszeit, sein Verhältnis zu Bietigheim und die Zukunft der katholischen Kirche gesprochen.

Der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Dr. Gebhard Fürst, wird am 2. Dezember aus seinem Amt verabschiedet. Die BZ hat mit dem gebürtigen Bietigheim-Bissinger über seine Amtszeit, sein Verhältnis zu Bietigheim und die Zukunft der katholischen Kirche gesprochen.

Herr Fürst, ist es üblich, dass ein Bischof mit Erreichen des 75. Geburtstages seinen Rücktritt anbietet?

Bischof Dr. Gebhard Fürst: Lassen Sie mich zunächst klarstellen, dass der Amtsverzicht anlässlich meines Geburtstages ein ganz normaler Vorgang ist. Das in der katholischen Kirche weltweit gültige Kirchenrecht besagt, dass ein Diözesanbischof, der sein 75. Lebensjahr vollendet hat, gebeten ist, dem Papst seinen Amtsverzicht anzubieten. Das habe ich vor einigen Wochen getan und ich gehe fest davon aus, dass Papst Franziskus meinen Amtsverzicht annimmt. Daher erfolgt meine Verabschiedung aus dem Amt des Bischofs am 2. Dezember, meinem Geburtstag.

Welche Pläne haben Sie nach Ihrer Verabschiedung?

Ich werde mich natürlich nicht als Privatier zurücklehnen, sondern in Kirchengemeinden, in denen ich gebraucht werde, Gottesdienste feiern, aushelfen, firmen und ich möchte dort, wo ich wohne, Seelsorge unter den Menschen betreiben. Gerne will ich meine neu gewonnene Freiheit auch dafür nutzen, um zu lesen, aber auch, um zu reisen.

Wo werden Sie leben?

Ich werde am 5. Dezember nach Stuttgart umziehen und dort in einer Wohnung in einem Neubaugebiet wohnen.

Sie stammen aus Bietigheim...

Ja, und ich bin dankbar, in Bietigheim geboren zu sein. Ich bin in der Stadt zur Schule gegangen und habe Bietigheim in meiner Kindheit und Jugend als sehr lebendig erlebt, war an vielen Stellen aktiv und eingebunden. Beispielsweise hatte mich der damalige zweite Bürgermeister Lothar Späth dazu eingeladen, die Volljährigkeitsfeiern zum 21. Geburtstag mitzuorganisieren, die es damals noch gab. Und ich habe an der Gestaltung des Umzugs zur 750-Jahr-Feier der Stadt mitgewirkt sowie an manch anderem festlichen Anlass. Das ist jetzt alles schon 60 Jahre her, aber bis heute liebe ich Bietigheim ob der Schönheit des Stadtbildes und der Atmosphäre. Bietigheim war mir eine wirklich lebendige Heimat und auf diese Zeit blicke ich mit Freude und Dankbarkeit zurück. Wenn ich dort heute zu Besuch bin, werden die Erlebnisse meiner Jugend in dieser Stadt gleich wieder lebendig.

Wie sehen heute Ihre Verbindungen nach Bietigheim aus?

Eine starke Verbindung zu Bietigheim liegt in meinen guten Erinnerungen begründet. Freunden und Bekannten aus den Familien, die damals in unserer Kirchengemeinde mit gelebt und geglaubt haben, bin ich bis heute verbunden. Ab und an mache ich auch Besuche bei Bürgerinnen und Bürgern der Stadt, die ich seit meiner Jugend kenne. Viele meiner früheren Schulkameradinnen und -kameraden sind allerdings in alle Herren Länder weggezogen.

Sie sind seit 23 Jahren Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart. An welche Meilensteine erinnern Sie sich?

Bei meinem Amtsantritt im Jahr 2000 beeindruckte es mich außerordentlich, wie herzlich die Gläubigen mich als ihren neuen Bischof aufnahmen. Das gab mir nochmals zusätzliche Kraft und Motivation, Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart zu sein. Bei den negativen Ereignissen während meiner Amtszeit denke ich an den Skandal des sexuellen Missbrauchs, der die katholische Kirche in aller Welt betrifft und mit dem ich mich schon sehr früh in meiner Amtszeit beschäftigen musste.

Und diese belastende Herausforderung ist nicht geringer geworden, sondern hat sich noch verstärkt. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier schon in den Jahren 2002 und 2003 Entscheidungen traf, die eine offene Aufarbeitung der schlimmen Taten in unserer Diözese ohne Vertuschung und in Gerechtigkeit gegenüber den Betroffenen – und auch mit einem entsprechenden Umgang mit den Tätern – ermöglicht haben. Ich habe von Anfang an eine von mir weisungsunabhängige Kommission zur Untersuchung dieser Taten gegründet, die bis heute besteht. Andererseits führten die Entwicklungen in der katholischen Kirche in den vergangenen Jahren dazu, dass ihre Glaubwürdigkeit stark gelitten hat. Diese Glaubhaftigkeit müssen wir durch Reformen und Erneuerungen zurückgewinnen. Das gelingt uns, wenn wir die befreiende und heilsame Botschaft des Evangeliums in unserer Diözese verwirklichen.

Ein weiteres Thema, das mich von Beginn an sehr beschäftigt hat, ist der Zustand unseres Planten, der Erde. So machte ich mich immer sehr stark für eine schöpfungsfreundliche Kirche. Schon vor meinem Amtsantritt war mir klar, dass die Erderwärmung zu katastrophalen Folgen führt. Deshalb legte ich einen Schwerpunkt darauf, dass wir als Kirche eine besondere Verantwortung haben, die Klimakatastrophe abzuwenden.

Und an was erinnern Sie sich persönlich?

Dankbar blicke ich auch auf das weltkirchliche Engagement unserer Diözese und wünsche mir, dass das weitergeführt wird. Ich durfte in meiner Bischofszeit viele Reisen zu befreundeten Diözesen auf allen Kontinenten machen und dort die Unterschiedlichkeit der Kulturen auch innerhalb der Kirche kennenlernen. Dabei erfuhr ich, wie lebendig in vielen Teilen der Welt Kirche ist und mit wie viel Freude Menschen ihre Leben teilen. Ich habe dankbar erlebt, dass ich, wo auch immer ich in den verschiedenen Ländern und Ortskirchen zu Gast war, immer wieder Teil einer großen Familie im Glauben bin. Zugleich erlebte ich, dass der Glaube an Gott in unserer Zeit mehr und mehr angefochten ist. Deshalb war es mir besonders wichtig, dafür Sorge zu tragen, dass Gott in den Herzen der Menschen und in den Kirchengemeinden lebendig gehalten wird. Dazu gehört, dass wir die Gottesdienste und Sakramente so feiern und gestalten, dass sie die Sorgen und Freuden der Menschen aufnehmen und sie so die Feier des Glaubens freudig miteinander vollziehen können.

In diesem Zusammenhang bleiben mir die festlichen Gottesdienste, die ich mit den Gläubigen in den Gemeinden gefeiert habe, in dankbarer Erinnerung. Das große Engagement vieler ehrenamtlicher Christinnen und Christen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist bewundernswert. Ihnen möchte ich ganz besonders danken. Ohne ihr engagiertes Glaubenszeugnis könnten wir nicht Kirche sein, wie wir es trotz aller Probleme in der Gegenwart sind.

Mit welchen Themen mussten Sie am meisten kämpfen?

Ich bin als Bischof kein Kämpfer, sondern Verkündiger einer Botschaft. Was mich aber mit großer Sorge erfüllt, ist dass der Gottesglaube sich in unserer Zeit aufzulösen droht und wir als Kirche die Menschen mit unserer Verkündigung nicht mehr so erreichen, wie das von unserer Botschaft her notwendig wäre. Ein wirklicher Aufgabenschwerpunkt ist für mich, dass unsere Kirche künftig wieder deutlich damit hervortritt, für die Menschen heilsam und von Bedeutung zu sein. Wir wollen eine missionarische Kirche sein, die den Menschen ihre Botschaft für ein geglücktes Leben vermittelt.

Welche Themen waren Ihnen am wichtigsten?

Die Bewahrung der Schöpfung und dass wir mithelfen, dass das Leben der Menschen gelingt und sie eine Perspektive haben, über den Tod hinaus: sie aus der Verkündigung der Kirche Kraft, Hoffnung und Zuversicht schöpfen. Wir können etwas zur Lösung der existenziellen Sorgen und Probleme der Menschen beitragen, zur Bewältigung ihrer Krisen; der Ängste und Verunsicherungen. Wichtig ist es mir auch, dass wir mit der wachsenden Einsamkeit vieler Menschen so umgehen, dass sie wieder beheimatet sind, eingebunden in einer Gemeinschaft, in der sie miteinander zusammenleben und in der man sich respektiert, wertschätzt und versteht.

Wir als katholische Kirche wollen eine Botschaft der Wertschätzung und der Annahme des anderen dem entgegensetzen, was es an Boshaftigkeit und Hass in der Welt gibt.

Was muss jetzt angegangen werden?

Was mir dringend erscheint ist, dass wir uns alle den Herausforderungen von Krieg und Frieden sowie den Problemen in der Wirtschaft stellen und wir mit aller Kraft darauf hinwirken, dass wir unser eigenes Zuhause, diesen Planten Erde, nicht zerstören, sondern uns so verhalten, dass auch unsere Nachkommen ein lebenswertes Leben führen können. Die Klimakatastrophe zu verhindern, ist sicher unsere zentralste Aufgabe.

Es braucht schöpfungsfreundliches Handeln. Nicht nur reden, sondern auch tun – damit die nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Erde vorfinden. Zweitens, und wie bereits angesprochen, scheint mir das stete Bemühen dringend geboten zu sein, den Glauben so zu verkündigen, dass er für das Zusammenleben der Menschen hilfreich ist. Und auch, dass wir uns friedenstiftend verhalten und stark bleiben, um unser demokratisches Zusammenleben zu sichern.

 
 
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