Klimamanagerin in Bietigheim-Bissingen: „Wir müssen ins Handeln kommen“

Von hevo
Das Gebäude der Stadtwerke Bietigheim-Bissingen in der Rötestraße. Seit 2021 befindet sich eine große Photovoltaikanlage (PV) auf dem Dach. 2019 lag der Gesamtverbrauch Bietigheim-Bissingens bei 240 900 Megawattstunden. Jedoch wurden nur zehn Prozent des lokal produzierten Stroms durch Erneuerbare-Energien-Anlagen, etwa PV, gedeckt. Das soll künftig deutlich ausgebaut werden. Foto: /Martin Kalb

Seit einem Monat hat Bietigheim-Bissingen eine Klimamanagerin. Im Technischen Ausschuss stellte Julia Solar nun ihren Klimaaktionsplan vor. Vor allem beim Thema Strom durch Erneuerbare Energien wie PV-Anlagen sieht sie Handlungsbedarf.

Seit einem Monat ist Julia Solar Bietigheim-Bissingens Klimaschutzmanagerin. „Sie hat sich schnell eingearbeitet“, sagte Bürgermeister Michael Wolf in der jüngsten Sitzung des Technischen Ausschusses (TA), ehe er der 31-Jährigen das Wort überließ. Die studierte Geoökologin stellte vor, welche Punkte sie in der Stadt konkret angehen möchte, um gegen den Klimawandel vorzugehen und das gesetzte Ziel Bietigheim-Bissingens, bis 2035 klimaneutral zu werden, zu erreichen.

Beim kommunalen Klimaschutz seien allem voran die Energie– und Mobilitätswende wichtige Eckpfeiler. Dabei würden sich die einzelnen Themenbereiche Wärme, Strom, Mobilität und die Querschnittsthemen, etwa Bürgerbeteiligung, überschneiden, kündigte Solar den Ausschussmitgliedern an.

Teilnahme am eea

Eine Maßnahme, die Solar bei ihrem mündlichen Sachbericht in den Mittelpunkt stellte, ist die Teilnahme am „European Energy Award (eea)“ (siehe Infobox). „Die Kommunen können sich dabei miteinander messen“, erklärte Solar. Dabei stehe vor allem im Fokus, „ins Tun und vorwärts zu kommen“. Wichtig sei dabei, dass nicht nur die Stadtverwaltung zur Zielgruppe gehört, sondern ebenso die Bürgerschaft und damit die gesamte Kommune. So traf sich das „Energieteam“, das aus Vertretern der Stadtverwaltung, der Stadtwerke sowie eea-Beraterinnen der Ludwigsburger Energieagentur (lea) besteht, bereits Mitte März. Auch der „Klima-Treff“, dessen Mitglieder neben der Stadtverwaltung aus Vertretern aus Bildungseinrichtungen, Vereinen, Verbänden, Kirchen und Interessenvertretungen bestehen, trafen sich am selben Tag (die BZ berichtete). Der „Klima-Treff“ findet sich nächsten Montag erneut zusammen, im Herbst soll eine „Klima-Werkstatt“, ein Messeformat mit Mitmachangeboten für alle Bürgerinnen und Bürger, auf die Beine gestellt werden.

Aktuell befindet sich die Stadt an Enz und Metter noch in der Phase der sogenannten Ist-Analyse. Dabei werden Stärken und Schwächen des eigenen energie- und klimapolitischen Arbeitens ermittelt, um im nächsten Schritt Maßnahmen zu planen und letztendlich umzusetzen. „Bietigheim-Bissingen ist bislang nur beteiligt am eea, andere sind bereits zertifiziert“, so die Klimaschutzmanagerin. Im Landkreis Ludwigsburg nehmen neben Bietigheim auch Ditzingen, Remseck und Steinheim teil, Kornwestheim ist bereits zertifiziert, Ludwigsburg hat seit 2014 eine Gold-Zertifizierung. Die Barockstadt ist als eine der Pilotkommunen 2006 beigetreten und erreichte im vergangenen Jahr 81,7 Prozent der angestrebten Punkte. Letztendlich sei ihr wichtig, so Solar, dass die Energieeffizienz in der Kommune kontinuierlich gesteigert werde. Eine Grundlage, um den Klimaschutz in Bietigheim-Bissingen zu planen, ist unter anderem die Energie- und Treibhausbilanz, die 2019 durch die lea erstellt wurde.

Grundlage: lea-Bilanz 2019

Die Untersuchung ergab, dass der jährliche CO2-Fußabdruck jedes Einwohners der Stadt 2019 bei 6,6 Tonnen lag (Gesamtemission: 286 544 Tonnen CO2). Der Gesamtenergieverbrauch lag bei 896 091 Megawattstunden (MWh).

Unter anderem wurden 34 Prozent der Energie vom verarbeitenden Gewerbe verbraucht, 31 Prozent entfielen auf private Haushalte und drei Prozent auf kommunale Liegenschaften. „Drei Prozent klingt wenig“, merkte Solar an, entscheidend sei aber auch der Vorbildcharakter der Stadt. Vor allem beim hohen Anteil von Erdgas und Strom als Energieträger in Bietigheim-Bissingen sieht Solar Verbesserungspotenzial.

Die Klimamanagerin möchte das Thema Strom durch Erneuerbare Energien angehen. Denn auch wenn Bietigheim im Vergleich mit dem Bundes- und Landesdurchschnitt in allen Punkten besser oder gleich dasteht, sackt die Stadt bei Strom aus Erneuerbaren deutlich ab. Nur zehn Prozent des lokal produzierten Stroms wurden durch PV, Wasserkraft oder Biomasse gedeckt.

„Insgesamt sind alle zu langsam, darauf darf man sich nicht ausruhen“, so Julia Solar und weiter: „Aber Bietigheim hat als Ziel, bis 2035 klimaneutral zu sein, das Land bis 2040, der Bund bis 2045.“ Der PV-Ausbau und allgemein die Energie- und Mobilitätswende müsse angegangen werden. Aktuell würden Solarkataster für die Stadtteile erstellt. Im Bereich Mobilität werden Maßnahmen aus dem Mobilitätsplan (die BZ berichtete mehrfach) umgesetzt und auch an der kommunalen Wärmeplanung wird gearbeitet, ebenso an der Bürgerbeteiligung durch „Klima-Treff“ und „Klima-Werkstatt“.

„Die geforderte, datenbasierte Grundlage wurde geschaffen“, sagte Bürgermeister Wolf im TA. Und auch aus dem Gremium gab es positives Feedback: „Große Aufgaben, die wir gern unterstützen“, so Werner Kiemle (SPD). „In letzter Zeit wurden einige gute Beschlüsse gefasst. Jetzt kommen wir ins Handeln“, hob Albrecht Kurz (GAL) hervor.

Was ist der European Energy Award (eea)?

Beim eea handelt es sich um...
...ein Qualitätsmanagementsystem und Zertifizierungsverfahren, das die Verwaltungseffizienz steigern kann und eine umsetzungsorientierte Energie- und Klimaschutzpolitik in Städten, Gemeinden und Landkreisen zum Ziel hat.

Die Maßnahmenbereiche und konkrete Beispiele für Bietigheim-Bissingen
Entwicklungsplanung, Raumordnung: Die Kommunale Wärmeplanung (KWP) wird derzeit erstellt, eine kommunale Stromplanung soll folgen. Kommunale Gebäude, Anlagen: Derzeit wird Sanierungskonzept für alle kommunalen Gebäude erstellt. Straßenbeleuchtung ist schon zu 90 Prozent auf LED umgestellt. Versorgung, Entsorgung: Lokale Erzeugung von Strom aus Wasserkraft, PV-Ausbau muss gesteigert werden, Klärgasnutzung ist vorhanden. Mobilität: Bike-Leasing für Mitarbeiter, Zuschuss zum ÖPNV-Ticket und für Lastenräder für Bürger. Interne Organisation: Aufbau Klimaschutzmanagement. Kommunikation, Kooperation: Entwicklung der CI mit dem Dienstleister Kokonsult, Kooperationen: LEA, Solaroffensive, KWP, Runder Tisch Klimaschutz auf Landkreisebene.  

 
 
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